Wuppertal Die richtigen Fragen, das falsche Publikum

In der „Man hört“-Gesprächsreihe des Katholikenrates ging es im Stadthaus am Laurentiusplatz um Rassismus, Migranten, Ausländer und Kriminalität.

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Wuppertal. Die Referenten aus Siegburg und Münster, das Thema eines, das Deutschland, Europa und die ganze Welt angeht — nichts Wuppertal-spezifisches und doch von lokaler Bedeutung. In Wirklichkeit ist die Frage nach Rassismus sogar nur von lokaler Bedeutung. Denn Begegnungen finden nicht in Ländern oder Staatenbünden statt, sondern auf Straßen, in Kneipen, in Vereinen, oder wie am Montagabend im Katholischen Stadthaus. Dort sprachen der Kriminologe Christian Walborg (38) und der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler über Ausländer und Migranten in Deutschland, also auch in Wuppertal.

Was sie sprachen, war nicht sehr neu. Wiederholung schadet in diesem Fall aber nicht. Der Wissenschaftler untermauerte mit Zahlen, dass die Kriminalität in Deutschland spürbar auf dem Rückzug ist. Er sparte nicht aus, dass Ausländer und Migranten bei bestimmten Delikten wie Diebstahl oder zuletzt sexueller Nötigung häufiger in den Akten stehen als Deutsche. In absoluten Zahlen jedoch sind die meisten Straffälligen in Deutschland immer noch Deutsche. Das wundert nicht angesichts einer Ausländerquote von 11,2 Prozent. Deutschland ist ein sehr sicheres Land, und Wuppertal gilt als eine der sichersten Großstädte überhaupt.

Dass Fremdenfeindlichkeit dennoch Konjunktur hat, erklärte Mehmet Daimagüler (48) mit einem Angstphänomen in einer entsolidarisierten Gesellschaft. Er beobachtet im Internet, wie Gruppierungen scheinbar Realitäten schaffen und so lange im eigenen Saft schmoren, bis für sie Gewissheit ist, was sie glauben. „In rechten Kreisen gilt, dass ein Prozent der Bevölkerung die restlichen 99 Prozent überzeugen kann, wenn das eine Prozent nur stur bei seinen Behauptungen bleibt“, sagte Daimagüler. Er vertritt zwei Nebenkläger im Münchener NSU-Prozess. Was er dort in den Akten findet, nennt der Anwalt „institutionalisierten Rassismus“. Das ehemalige Bundesvorstands-Mitglied der FDP wirft den Behörden vor, einseitig ermittelt und die Opfer belastet zu haben. „Wir leben in einem guten Land“, sagte er dennoch. „Wenn das so bleiben soll, dürfen wir Rassismus nicht tolerieren.“

Dass sich unter der äußerst sachkundigen Leitung des Wuppertaler Radio-Journalisten Peter Grabowski (48) nach den inhaltsstarken Referaten im Katholischen Stadthaus so recht keine Diskussion entspinnen wollte, zeigt die ganze Krux. Offen für Mahnungen, offen für Zahlen und Argumente sind auch in Wuppertal fast ausschließlich jene, die von Rassismus so weit entfernt sind wie die Erde von der Sonne. Die anderen nehmen an Gesprächen nicht teil. Sie wenden sich Parteien mit alten Ansichten und einfachen Lösungen für schwierige Fragen zu.

Der Katholikenrat wirft in seiner „Man hört“-Reihe die richtigen Fragen auf. Sein Pech ist, dass er die falschen Adressaten erreicht. Die vermutlich richtige Zielgruppe vertrat im gut besuchten Saal lediglich ein Gast. Er gab sich als Empfänger von Hartz IV-Leistungen zu erkennen und beklagte, dass er für Schwarzfahren mit Bus und Bahn zur Rechenschaft gezogen werde, während er beobachtet habe, dass das bei Flüchtlingen anders sei.

In diese Diskussion ist wegen sichtlichen Unbehagens niemand eingestiegen. Dabei berührt der Unmut des Mannes womöglich den Kern der Sache. Die Sorge um die eigene Existenz, die allem Anschein nach unbegründete Angst, noch teilen zu müssen, was der Staat gibt, treibt der rechtspopulistischen AfD Wähler zu. Dass vor allem die SPD unter der AfD leidet, stützt diese These.

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