Die Sinfoniker spielen packend auf

Unter dem Dirigat von Julia Jones gehen Temperament und Emotionalität eine seltene Symbiose ein.

Foto: Andreas Fischer

Auch beim neunten und somit vorletzten städtischen Sinfoniekonzert dieser Spielzeit blieb Generalmusikdirektorin Julia Jones ihrem Konzept treu, weniger bekannte Musik neben populäre Töne zu stellen. Nur waren es dieses Mal Werke allseits bekannter Komponisten, die im Großen Saal der Stadthalle auf dem Programm standen und dementsprechend viele Musikfreunde zur sonntäglichen Matinee an-lockten.

Natürlich kommt jedem Joseph Haydn über die Lippen. Gewaltig ist seine musikalische Hinterlassenschaft. Allen voran dürften die großen Sinfonien und legendären Streichquartette in aller Munde sein. Experten des Musiktheaters sollten aber davon Kenntnis haben, dass er 24 Opern schrieb, darunter 1773 Zweiakter „L’infedeltà delusa“ (die vereitelte Untreue). Nach 1774 verschwand sie bis 1930 in der Versenkung und wird seitdem nur gelegentlich auf Bühnen gehoben. Die Ouvertüre dazu kommt dagegen öfters zu Aufführung. Damit leitete das Sinfonieorchester Wuppertal sein Konzert ein, das hier frisch und mit festem Zugriff aufspielte.

Dagegen ist Felix Mendelssohn Bartholdys „Schottische“ — seine 3. Sinfonie in a-Moll, op. 56 — ein Evergreen der Klassik. Lange, von 1829 bis 1842, arbeitete er daran. Es ist das erste Orchesterwerk überhaupt, das wie seine Konzerte ohne Pause zu spielen ist. Ganz kurze Atempausen gönnte Jones den Sinfonikern dennoch. Sorgfältig und verlässlich, jederzeit auf ein durchhörbares Klangbild achtend, lotste sie das Orchester durch die Partitur. So wurden die dem Opus immanenten Kontraste deutlich zum Ausdruck gebracht.

Das Konzert für Geige und Cello in a-Moll, op. 102 aus dem Jahr 1887 von Johannes Brahms dürfte zwar ebenfalls geläufig sein, ist aber nicht so oft wie seine vier Sinfonien bei Konzerten zu genießen. Denn das Problem liegt darin, zwei gleichartige wie ebenbürtige Solisten dafür zu finden und zu gewinnen. Dieses Werk ist aus mehrfachen Gründen bedeutend. Es erneuert die „Sinfonia concertante“ des 17. Jahrhunderts in der Nachfolge von Wolfgang Amadeus Mozarts Doppelkonzert für Geige und Bratsche sowie Ludwig van Beethovens Tripelkonzert. An der Art der Themeneinsätze und Konzeption der Satzfolge ist die sehr persönliche, programmatisch begründete Tonsprache des Komponisten erkennbar. Und es handelt sich um sein sinfonisch-konzertantes Abschiedswerk, das eindrucksvoll seine herbe Herzlichkeit wie kompositorische Verantwortung demonstriert.

Geigerin Alena Baeva und Cellistin Anastasia Kobekina stellten sich dieser großen Aufgabe. Vom ersten Cello- beziehungsweise Geigenton an war ganz klar: Diese beiden Musikerinnen aus Russland dürften wohl solistisch und als Duo kurz vor einer Weltkarriere stehen. Ihre große, hochmusikantische Tongebung schlug sofort in ihren Bann. Ein in allen Belangen mustergültiges Zusammenspiel und ihre absolut packenden solistischen Vorträge kamen hinzu. Hohes Temperament und große Emotionalität gingen eine live selten zuvor erlebte Symbiose ein. Hätte dabei Jones sich nicht nur auf eine präzise Begleitung beschränkt, sondern zusätzlich diese Attribute dem Orchester vermittelt, wäre die Aufführung des Doppelkonzerts ausnahmslos zu einem nachhaltig in Erinnerung bleibenden Erlebnis geworden.

Dieser Auftritt des Duos vor der Pause war mit großem Abstand das Highlight des Vormittags und hätte es verdient gehabt, mit lang anhaltenden stehenden Ovationen gefeiert zu werden. Stattdessen gab es diese ganz zum Schluss, nach der „Schottischen“. Das Scherzo aus Mendelssohn Bartholdys „Ein Sommernachtstraum“ schloss sich als Orchesterzugabe an.