Konzert Diese „Tonleiter“-Saison war kurz, aber vorzüglich

Wuppertal · Erstklassige Musiker führten „Lieder gegen die Vernunft“ im Pavillon des Skulpturenparks Waldfrieden auf.

Sopranistin Yeree Suh zeigte sich in allen Registern absolut sicher.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Neben Rock, Pop und Jazz gibt es noch eine weitere Schublade: die ernste Musik. In diese Kategorie fallen Werke seriöser Komponisten, bei denen man gefälligst schwer ins Nachdenken kommen soll. Etwa: Was hat sich Bach dabei gedacht? Warum hat Beethoven so und nicht anders geschrieben? Mahler ist schon ein bisschen kompliziert, und Schönberg erst mit seiner 12-Ton-Musik. Na ja, und alles, was danach gekommen ist… Manchen ist das zu anstrengend. Von Hochkultur oder elitärem Zeug ist dann oft die Rede. Alles mit Vorurteilen behaftete Hemmschwellen. Man kann sich nämlich auch einfach nur hübsch zurücklehnen und die Klänge auf sich einwirken lassen, wenn sie einwandfrei von der Bühne kommen. Man kann sogar ab und an schmunzeln, sogar lachen. Denn etliche Tonkünstler nahmen und nehmen sich nicht immer bitterernst. Dann ist bei ihnen der Schalk im Nacken offenkundig. Kurzweilig ging es also zu, als mit dem Titel „Chansons contre raison“ (Lieder gegen die Vernunft) im Pavillon des Skulpturenparks Waldfrieden solche originellen Tonschöpfungen präsentiert wurden.

Jetzt, zur Karnevalszeit, könnte man auch sagen: „Musik, wie sie wider den tierischen Ernst singt und lacht“. Das trifft ganz besonders auf Erik Satie zu. Schaut man sich ein paar seiner Noten an, wimmelt es darin vor Spielanweisungen und Geschichten, als ob ohne Sinn und Verstand dahin gekritzelt.

Wahre flache Präludien
für einen Hund

Seine kleinen Klavierstücke „Préludes flasques (pour un chien)“, „Véritables Préludes flasques (pour un chien)“ – flache Präludien beziehungsweise wahre flache Präludien für einen Hund - und „Embryons désséchés“ (ausgetrocknete Embryonen) sind beredtes Zeugnis. „Schwerer Verweis“, „mit Kameradschaft“, und „wir spielen“ lauten auf Deutsch die kuriosen Überschriften der Auszüge aus der Hundemusik.

Luciano Berio spielt in „Sequenza III“ mit der Frauenstimme. Hier haben die weiblichen Stimmbänder laut seinen Anweisungen viel zu tun: etwa Lachsalven, Zähneklappern, Zungentriller gegen die Oberlippe, entfernt, verträumt, ekstatisch, äußerst intensiv, verklingend. Das Lachen spielt in dieser Geschichte in Lautäußerungen eine zentrale Rolle.

In dem Gesangszyklus „snagS&Snarls“ der zeitgenössische Komponistin Unsuk Chin, eine Vorstudie ihrer Oper „Alice in Wonderland“, werden unter anderem viele musikalische Stile parodiert. Die „Mysteries of the Macabre“ von György Ligeti, einstiger Lehrer von Chins, sind skurrile Bearbeitungen von drei Koloraturarien (des Chefs der „Geheimen Politischen Polizei“) aus seiner Oper „Le Grand Macabre“. Zugrunde liegt ein „Halb-Nonsens-Text“.

Auch in Viktor Suslins Cellosonate „Chanson contre raison“, auf die das Programm getauft wurde, kommen humoristische Züge vor. In den beiden Stücken für Solocello „Les mots sont allés…“ (die Worte sind weg) und „Sequenza XIV“ verwendet Berio meisterhaft alle derzeitigen Artikulations-, Phrasierungs- und Spielmöglichkeiten dieses Instruments.

Drei erstklassige Musiker waren für dieses unterhaltsame Programm zuständig. Sopranistin Yeree Suh, unverkrampft sicher in allen Registern bis hin zum „hohen C“, beherrschte stilsicher sämtliche klassischen und modernen gesangs- und Artikulationstechniken, wusste zudem gestisch und mimisch zu brillieren. Traumwandlerisch sicher war Adele Bitters Cellospiel selbst bei extrem vertrackten Stellen. Last but not least war es Holger Groschopp, der mit einem spritzig-agilen Klavierspiel glänzte und außerdem im Duo vorzüglich mit Suh harmonierte.

Das Publikum, dessen Lachmuskulatur zwischendurch in Anspruch genommen wurde, genoss sicht- und hörbar diese Kurzweil. Resultat war dementsprechend ein minutenlanger, begeisterter Schlussapplaus.