Interview „Digitale Ausstattung ist da — es fehlen noch die Konzepte“
Als neuer Leiter der St.-Anna-Schule spricht Benedikt Stratmann darüber, was Schule heute leisten kann.
Wuppertal. Benedikt Stratmann ist zwar der neue Leiter des St.-Anna-Gymnasiums auf dem Ölberg, aber kein unbekanntes Gesicht. Er war 16 Jahre lang stellvertretender Schulleiter unter Rudolf Hösen. Der Physik- und Mathelehrer hat sich bei der Ausschreibung gegenüber anderen Bewerbern durchgesetzt.
Herr Stratmann, herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Bewerbung. Wie geht es ihnen mit der neuen Stellung?
Benedikt Stratmann: Ich freue mich total auf die neuen Aufgaben und fühle mich gut vorbereitet. Immerhin habe ich schon vorher die Themen Bau, Finanzen und Digitalisierung betreut und auch vorantreiben können.
Mit der Digitalisierung haben Sie ein Kernthema der heutigen Gesellschaft übernommen.
Stratmann: Das stimmt. Die Digitalisierung ist einer der Megatrends. Ich sehe uns da aber einerseits sehr gut aufgestellt. Wir haben Klassensätze an Notebooks und iPads und Beamer in jedem Klassenraum. Andererseits fehlen aber noch pädagogische Konzepte, um die Technik gewinnbringend einzusetzen und die entsprechenden Schulungen.
Was können Sie da tun?
Stratmann: Das Thema ist einfach dazugekommen und wird von uns Schulen nebenher mitgenommen. Eigentlich müsste aber das Land mehr dafür tun. Auch auf mich wird die Herausforderung zukommen, mehr Ressourcen zu schaffen für Schulungen, Experten und Hardware.
Bleibt die Digitalisierung also ihr Schwerpunkt im neuen Amt?
Stratmann: Auch, aber nicht nur. Ich sehe auch den großen Trend zur Individualisierung in der Gesellschaft — das ist Megatrend Nummer zwei. Eltern und Schüler gehen heute andere Wege als früher. Die Eltern gehen beide vollzeit ihren Berufen nach und die Schüler sind auch wegen G8 mehr mit dem Unterricht beschäftigt. Es fehlt die Zeit für die gesellschaftliche Anbindung in Vereinen und Kirchen.
Was heißt das für Ihre Schule?
Stratmann: Wir als Schule müssen das auffangen und Angebote über den Unterricht hinaus machen. Die Tendenz zur Ganztagsschule müssen wir ernsthaft aufnehmen, und den Kindern Alternativangebote machen.
Etwa?
Stratmann: Wir müssen den Blick stärker über den Unterricht hinaus ausweiten. Wir wollen keine engstirnigen Fachleute heranziehen, sondern mündige Bürger, die einen weiten Blick auf die Welt haben. In der Praxis heißt das etwa, die Schule in Zukunft mehr Entscheidungshilfen bieten muss bei Berufs- und Studienwahl und der Studienvorbereitung.
Wie steht es um die Bindung der Kinder zur Kirche? Unter ihrem Vorgänger wurde die Quote für katholische Kinder reduziert.
Stratmann: Die Quote von 75 auf 60 Prozent zu senken war richtig. Das spiegelt die Lebenswirklichkeit in Wuppertal wider. Wir wollen nicht nur katholisch sozialisierte Kinder aufnehmen. Jedes Kind, das sich mit dem christlichen Wertesystem befasst, ist ein guter Schüler. Tiefer kann die Quote aber nicht sinken. Wir müssen als katholische Schule auch glaubwürdig bleiben.
Berufswahl und religiöse Erziehung: Sind das nicht auch Ausgaben, die Eltern übernehmen müssten?
Stratmann: Die Gesellschaft ist auch fordernder für die Eltern geworden. Auch für sie ist es schwierig, Orientierung zu schaffen. Da ist die Schule der ideale Partner der Kinder. Wir können das leisten. Immerhin ist es unser Markenkern, ein Wertesystem und Orientierung zu vermitteln.
Sehen Sie noch Verbesserungsbedarf im Angebot der Schule?
Stratmann: Nach einer gründlichen Analyse unseres Angebots, muss ich sagen: Ja. Wir sollten uns vor allem in Richtung Sprachen öffnen. Ich würde etwa gerne eine weitere Fremdsprache, z.B. Spanisch, als Fach anbieten. Das ist zeitgemäß und nachgefragt. Auch sollten die Fachbereiche Sprachen und Gesellschaftswissenschaften stärker nach außen vernetzt werden, wie wir es auch schon bei den MINT-Fächern tun.
Möchten Sie ihrem Vorgänger Rudolf Hösen noch etwas mit den Weg geben?
Stratmann: Ich möchte mich für die freie Hand bedanken, die er mir bei meinen Aufgabenbereichen gelassen hat. Nur so konnte ich ankommen, wo ich jetzt bin. Es ist wie bei den Schülern: Nur, wer die Freiheit hat, sich zu entwickeln, wird das auch tun.