Gesellschaft und Soziales Doppelt so viel Frauen suchen Hilfe bei der Wuppertaler Frauenberatung

Wuppertal · Einrichtungen in NRW kämpfen mit der Kampagne #Bedenkzeit für eine gesicherte Finanzierung.

Mit Plakaten machen die Einrichtungen auf die unzureichende Finanzierung aufmerksam.

Foto: Pia Klüver/Frauenberatung Wuppertal

Sollen sie ihre Zeit verwenden, um neue Geldquellen zu finden, damit sie ihr Angebot erhalten können? Oder sollen sie weiter Frauen in Notsituationen helfen und begleiten, aber die Existenz der Einrichtung aufs Spiel setzen? Vor diesen Fragen stehen die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle am Laurentiusplatz wie viele andere Frauenberatungsstellen im Land. Denn ihre finanzielle Lage wird immer schwieriger. Dabei wird ihre Arbeit mehr denn je gebraucht.

„Die Frauen laufen uns die Bude ein“, berichtet Sabine Böse von der Frauenberatungsstelle, die durch den Verein Frauenberatung und Selbsthilfe getragen wird. Derzeit müssten Frauen bis zu drei Wochen auf einen Termin warten. „Das hat es noch nie bei uns gegeben.“ Das zeigt sich auch in den Zahlen: 2022 haben 946 Frauen das Beratungs- und Gruppenangebot der Frauenberatungsstelle wahrgenommen. 2023 waren es 1932 – mehr als doppelt so viele.

Am häufigsten ging es bei den Anfragen um das Thema sexualisierte Gewalt: 2023 1111 mal, 167 mal davon um Vergewaltigung – ein massiver Anstieg. 2022 wurde das Thema 219 mal angesprochen, davon ging es 50 mal um Vergewaltigung. Weitere Themen sind Gewalt (2023: 294 mal, davon 160 mal häusliche Gewalt), Gesundheit (400), Beziehungsprobleme (397) und Rechtsfragen (262) – wobei Mehrfachnennungen möglich waren.

„Ich habe mal gedacht, dass Gewalt weniger wird, aber so ist es nicht“, sagt Sabine Böse, die mehr als 30 Jahre dabei ist. „Die Gewalt nimmt erheblich zu.“ Sie sieht vielschichtige Ursachen von den krisenhaften Zeiten mit Corona, Ukraine-Krieg und Klimawandel über eine emotionale Verwahrlosung, durch die Familien Halt und Struktur verloren haben, und die Digitalisierung, die mehr Zugang zu Gewalt möglich mache, bis zu einigen Familien mit Migrationshintergrund, in denen es viel Gewalt gebe.

Finanziert wird die Arbeit der acht Mitarbeiterinnen hauptsächlich durch Zuschüsse des Landes und der Stadt, aber nur zu 82 Prozent. Zahlen will der Verein – abgesehen von Verwendungsnachweisen für Behörden – nicht veröffentlichen. Den Rest müssen die Frauen durch Spenden, Anträge an Stiftungen, die Stadtsparkasse oder die Glücksspirale und durch kostenpflichtige Angebote wie Fortbildungen und Gruppenangebote selbst erwirtschaften. „Diese Projektanträge binden sehr viel Zeit und Kapazitäten, die für die Beratungsarbeit dann leider nicht mehr zur Verfügung stehen“, erklärt Sabine Böse.

Auch die aktuellen Tariferhöhungen würden nicht vom Land refinanziert, bei den Sach- und Energiekosten drücken die aktuellen Preissteigerungen. „Die Schere zwischen der Landesfinanzierung und den tatsächlichen Personal- und Sachkosten wird immer größer“, so Sabine Böse. Das habe schon dazu geführt, dass andere Frauenberatungsstellen geschlossen haben.

Gemeinsam mit rund 90 Mitgliedseinrichtungen der Landesvertretungen für die autonomen Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen und Frauen-Notrufe NRW fordert auch die Wuppertaler Frauenberatungsstelle einen bundesweit einheitlichen Finanzierungsrahmen, eine Finanzierung zu 100 Prozent und die Finanzierung einer Verwaltungskraft, um die Beraterinnen zu entlasten. Hilfe zum Thema sexualisierter und häuslicher Gewalt dürfe keine freiwillige Leistung sein, sondern sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Um auf das Thema aufmerksam zu machen, läuft bis zum 20. April eine Plakatkampagne. Dazu soll eine Postkartenaktion NRW-Familienministerin Josefine Paul und Ministerpräsident Hendrik Wüst auffordern, mehr Geld in die Fraueninfrastruktur zu stecken. Mehr Infos: