Bildung Doppelt so viele Schüler wie 2017 haben Förderbedarf

Wuppertal · In zwei Jahren stieg die Zahl der Anträge von 347 auf 646. Dem erhöhten Bedarf steht ein erheblicher Mangel an Sonderpädagogen gegenüber.

Immer mehr Kinder brauchen eine besondere Förderung durch Sonderpädagogen.

Foto: dpa/Oliver Krato

Immer häufiger müssen Experten prüfen, ob Kinder eine besondere Unterstützung brauchen – weil ihnen das Lernen schwer fällt, sie emotional und sozial auffällig sind, körperliche und motorische Entwicklungsdefizite haben. Im Schulausschuss wurden am Dienstag die Zahlen aus den Schuljahren 2016/17, 2017/18 und 2018/19 vorgelegt. Sie zeigen, dass die Anträge auf eine solche Untersuchung in dieser Zeit von 347 auf 646 gestiegen sind.

Einen besonders großen Anstieg gab es bei Anträgen im Bereich „Lernen“: von 89 auf 188. Im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung“ stieg die Zahl der Anträge von 55 auf 96, im Bereiche „Geistige Entwicklung“ von 36 auf 55, bei „Sprache“ von 33 auf 41. Weniger Anstiege gab es bei Körperlicher und motorische Entwicklung“ (von 17 auf 20), nur niedrige Zahlen bei „Hören und Kommunikation“ (von 12 auf 8) und „Sehen“ (0 auf 4).

Zahlen steigen auch landesweit, aber weniger stark

Die meisten der Anträge führen offenbar auch zur Feststellung eines Bedarfs, denn abgelehnt wurden pro Jahr 20, 35 und 35 Anträge. Allerdings stieg auch die Zahl der Anträge eklatant, die zum Ende des Schuljahres noch nicht entschieden sind: von 19 auf 187 – sie hat sich mehr als verzehnfacht.

Auch landesweit steigt die Zahl der Kinder mit Unterstützungsbedarf, aber nicht so stark wie in Wuppertal: 2009 wurden in NRW knapp 130 000 solcher Kinder gezählt, das machte 4,6 Prozent aller Schülerinnen und Schüler aus. 2018 waren es fast 147 000, das sind 5,9 Prozent aller Schulkinder im Land.

Haben Eltern oder Lehrer den Eindruck, dass ein Kind Unterstützungsbedarf hat, können die Eltern einen Antrag auf Prüfung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs stellen. Ein externer Sonderpädagoge oder eine Sonderpädagogin begutachtet dann das Kind durch Beobachtung im Unterricht, im Gespräch oder durch Tests.

Ihr Gutachten wird im Schulamt geprüft. Zuständig dafür sind die vier Schulräte. Um das wachsende Pensum bewältigen zu können, habe es bereits Umstrukturierung in der Organisation gegeben, erklärt Arno Schulz vom Schulamt. Er betont: „Alle sind sehr bemüht.“ Doch irgendwann sei auch die Zeit der Kollegen zu Ende.

Wird ein Bedarf festgestellt, können die Eltern entscheiden, ob das Kind an der Schule bleibt – wenn es eine Schule des gemeinsamen Lernens ist – oder ob das Kind auf eine Förderschule wechselt.

Über Gründe für den Anstieg des Bedarfs gibt es nur Vermutungen. „Wir sind sensibler geworden“, sagt Richard Voß von der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Möglicherweise auch dadurch, dass durch die Inklusion mehr geschulte Sonderpädagogen an den Schulen sind.

Es fehlt das Personal, das sich um die Kinder kümmern kann

Aber das Thema Sonderpädagogen ist auch das Problem. Denn diese werden gebraucht, um sich um die Kinder mit Unterstützungsbedarf zu kümmern. Nur: „Sonderpädagogen sind rar“, sagt Richard Voß. Überall fehlen sie, sowohl an den Regelschulen des gemeinsamen Lernens als auch an den Förderschulen. Und es fehlen Bewerber für die unbesetzten Stellen. Voß wird jetzt eine Stelle ausschreiben. „Aber ich weiß jetzt schon: Da kommt nichts.“ Die Arbeit der Sonderpädagogen müssten dann die anderen Lehrkräfte im Team übernehmen, sagt Voß. Dabei hält er es für richtig, dass der Bedarf festgestellt wird: „Ich begrüße es sehr, wenn wir den Kindern besser gerecht werden. Aber es braucht dafür mehr Personal.“

Schuldezernent Stefan Kühn ist für Personalangelegenheiten an Schulen nicht zuständig, sondern die Schulräte beim Schulamt, unter anderem Carmen Birnbach, Schulrätin für Förderschulen. „Es ist klar, dass die steigenden Zahlen Konsequenzen haben müssen“, sagt sie. Sie ist aber erst seit 1. September im Amt, will sich erst in das Thema einarbeiten. Und weiß, dass es ein schwieriges Thema ist: „Wir haben mehr Anträge, aber zu wenig Menschen.“ Sie sagt: „Alle Schulaufsichts-Ebenen müssen sich intensiv darum kümmern.“