Druckstock — ein Name, eine alte Presse und zeitlose Kunst

Ulrike Hagemeier kümmert sich um freie Grafik, will alte Druck-Techniken und ihre Künstler unterstützen.

Foto: Stefan Fries

Ihr Weg zur Kunst war kein einfacher. Ulrike Hagemeier hatte zwar schon immer „den tiefen Wunsch, Kunst zu machen“, brauchte aber etliche (Um-)Wege, glückliche Fügungen und viel Einsatz, bis sie zur gefragten Künstlerin wurde, die sich und anderen einen „Ort für freie Grafik“ bietet.

Seit bald zwei Jahren gibt es ihren Druckstock — der Name erinnert bewusst an die gleichnamige Druckplatte mit dem Bildelement im Hochdruck. Der Ort steht im Dienst der alten Technik und ihrer Künstler, ist ein wichtiger Bestandteil der Unterbarmer Kulturszene.

Wuppertaler

Kunst(t)räume

Wer Ulrike Hagemeier in ihrem Druckstock aufsucht, kann sich nicht vorstellen, dass die heute 65-Jährige erst als Erwachsene zur Kunst kam. 1980 zog sie nach Wuppertal, kümmerte sich zunächst um die Familie, fand über einen Keramikkurs zu ihrem Studium.

Die handwerklich-künstlerische Arbeit passte so gut zu ihr, dass sie in Krefeld keramische Plastik studierte und im Anschluss 16 Jahre lang als Künstlerin arbeitete. Ihre abstrakten, strengen und klaren Plastiken wurden ausgezeichnet und vielfach im In- und Ausland ausgestellt.

Überdies unterrichtete sie an der Universität Wuppertal, wurde Kunstlehrerin an einer Schule. Eine Entscheidung, die weder ihrer Kreativität noch ihrer Gesundheit gut tat. 2012 kamen das Aus und der zaghafte Neuanfang. „Ich überlegte, was mir im Kunstunterricht die größte Freude gemacht hatte: die Drucktechniken“, erinnert sie sich und zeigt einen privaten Kunstschatz, den sie damals fertigte. Der hochkantige, nie veröffentlichte Band „Katzmiau und Menschensang“ enthält eigene Linoldrucke, die sie von ihrer Katze schuf und Gedichte.

Über eine Gemeinschaftswerkstatt des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) in ihrer Nachbarschaft und den Radierer und Litographen Peter Paulus, der ihr sein Kunsthandwerk beibrachte, kam Ulrike Hagemeier wieder zur intensiven künstlerischen Arbeit und zum Gedanken ans eigene Atelier. Sie fand es 2015 in dem alten Schieferfachwerkhaus mit der Nummer 173 an der Friedrich-Engels-Allee.

Ulrike Hagemeier

„Das war ein Loch, eine Müllhalde“, beschreibt sie die 40 Quadratmeter großen Räume mit den zirka 3,60 Meter hohen Wänden im Erdgeschoss: „Aber als ich drin stand, konnte ich auf einmal das Ganze sehen.“ Die umfangreiche Renovierung legte Fachwerk frei, brachte schwere Holzdielen auf den Boden und große, schnörkellose Holzladenfenster zur Straße hin. Dahinter entstanden ein Ausstellungsraum und eine Werkstatt.

Drei bis vier Ausstellungen organisiert Hagemeier im Jahr, die erste galt Peter Paulus, die zweite dem 2017 gestorbenen Wuppertaler Wolfgang Schmitz, dessen Werkstatt sie zum Geschenk erhielt. Seine Radierpresse ist das Herz ihrer Werkstatt. Dort steht auch ein Ständer mit ihren Drucken.

Die Künstlerin liebt Farben und das präzise, durchdachte Handwerk. Ihre Lieblingsmotive sind Spiralen, Möbiusschleifen oder Helices. Ihr Hauptthema seit Jahren ist der Mensch, der sich nicht so wichtig nimmt, sondern in den ewigen Fluss aus Leben und Sterben begibt.

In jüngerer Zeit führt sie über die Collagetechnik eigene Zeichnungen in die Drucke ein. Außerdem erstellt sie auf ihren Reisen feine Textilarbeiten. Fehlt ihr die plastische Arbeit? „Nein“, lautet die entschiedene Antwort: „Es ist für mich leichter, mich in Radierungen auszudrücken.“

Schwarz-weiße Radierungen stellt derzeit auch Alvar Siefert im Druckstock aus. „Sichtweisen“ zeigt filigrane Bilder, die in der Tradition Goyas stehen und sich mit dem Menschsein auseinandersetzen — „zeichnerisch und technisch perfekt“, freut sich Hagemeier: „Druckkunst kann so toll sein und ist nicht so teuer, dass man sie sich nicht leisten kann.“