Eduard von der Heydt: Aus Mangel an Beweisen

War der Ehrenbürger ein Nazi-Täter? Der Versuch einer Aufarbeitung.

Wuppertal. Woran bemisst sich die Bedeutung eines Themas? Sicher daran, dass 250 Menschen in einem schlecht belüfteten Raum der Stadthalle vier Stunden ausharren, um von sechs Wissenschaftlern mehr über einen Menschen zu erfahren, dessen Leben denkbar dürftig dokumentiert ist. Handelte es sich nicht um Eduard von der Heydt (1882-1964), den Ehrenbürger Wuppertals, den ebenso bedeutenden wie wegen seiner Nazi-Verbindungen umstrittenen Kunstsammler, den Namensgeber des städtischen Kulturpreises, wäre dies kaum jemandem zuzumuten. So aber geriet die Parade der Gutachter zu einem lehrreichen Abend, an dessen Ende eine Frage nicht beantwortet wurde: Darf der Wuppertaler Kulturpreis weiter den Namen Eduard von der Heydt tragen? Diesen Anspruch hatte Kulturdezernentin Marlis Drevermann aber auch gar nicht. "Wir stehen am Anfang der Diskussion, nicht an deren Ende."

Wer seine Arbeit hingegen erledigt hat, ist Michael Knieriem. Dem Historiker und Leiter des Historischen Zentrums war im Herbst die Aufgabe zugefallen, das Leben Eduard von der Heydts während der Nazi-Zeit aufzuarbeiten, jede zugängliche Quelle auszuwerten, um Hinweise darauf zu erhalten, ob der Bankier ein Nazi-Täter war und ob somit ein Kulturpreis noch seinen Namen tragen darf. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Auch wenn die von Knieriem zusammengerufene hochkarätige Expertenrunde weder Verteidiger noch Ankläger sein und die Bewertung den Wuppertalern überlassen wollte, so war die Tendenz aller Expertisen doch eindeutig: Eduard von der Heydt war kein Täter. Er war kein Antisemit und er war kein Raubkunsterwerber. Zumindest geben "alle zugänglichen Quellen" offenbar keine Hinweise darauf. Viele sind das ohnehin nicht. Es gibt keinen Nachlass und kein Testament. Das Leben des Wahl-Schweizers und Sohnes aus der berühmten Wuppertaler Familie puzzelten sich die Historiker aus Briefen, Aktennotizen, Erwähnungen und Prozessprotokollen zusammen.

So zeichneten Knieriem und seine Kollegen aus Zürich, Köln, Düsseldorf und Bonn das Psychogramm eines einsamen und von Existenzangst geplagten Menschen. Eines weltmännischen, rational handelnden Bankiers, der beruflich und privat immer wieder scheiterte und dessen Liebe zur Kunst für ihn zur Obsession wurde. "Er war ein liberal-konservativer Vertreter des Großbürgertums. Seine Ansichten waren nicht mit denen der Nationalsozialisten vereinbar", bilanzierte Knieriem.

Und dennoch paktierte Von der Heydt mit dem Regime. Er wusch in der Schweiz Gelder der deutschen Abwehr, finanzierte so Nazi-Spione in den USA und Mexiko und wollte anschließend von nichts gewusst haben. Auch ein Schweizer Gericht konnte ihm nach Kriegsende das Gegenteil nicht nachweisen und sprach Von der Heydt trotz widersprüchlicher Aussagen aus Mangel an Beweisen vom Verdacht des Vorsatzes frei.

Eberhard Illner, Historiker

Heute ist die Beweislage nicht viel besser, wie Frank Oehmke, langjähriger Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht in Köln, anmerkte. Für ihn ist das Urteil der Schweizer "vertretbar".

Kritiker von der Heydts haben auch nicht mehr in der Hand, beziehen sich auf Korrespondenzen mit Hitler-Stellvertreter Göring. Schreiben, die in "devotem Stil" verfasst und mit "Heil Hitler" unterschrieben seien, wie der schärfste Von-der-Heydt-Kritiker, Hajo Jahn, ins Feld führte.

Darüber hinaus blieb den wenigen erschienenen Kritikern nur der Vorwurf ans Podium, nicht alle Quellen ausgewertet zu haben und so ein schiefes Bild zugunsten Von der Heydts zu entwerfen. Bei Historiker und Archivexperte Eberhard Illner aus Köln trafen sie damit den Nerv. Der wollte sich den Vorwurf der lückenhaften Recherche nicht gefallen lassen und ging zugleich bei der Rehabilitierung des Kunstsammlers am weitesten: "Heydt war weder alter Kämpfer noch ideologischer Aktivist. An einer wirksamen Unterstützung der NSDAP war er nicht beteiligt."

Für Illner und seine Kollegen pflegte Von der Heydt seine Kontakte zu den Nazis oder zum faschistischen "Bund treuer Eidgenossen" aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Von der Heydt hatte nicht nur eine gescheiterte Ehe zu verkraften, sondern auch wirtschaftliche Niederlagen, die so weit gingen, dass er sich nur noch durch Verkauf seiner Von-der-Heydt-Bank an die August-Thyssen-Bank zu retten vermochte.

Fortan war er ein Getriebener, heimgesucht von der Furcht, staatenlos zu werden oder sein Vermögen zu verlieren. "Er versuchte, sich nach allen Seiten abzusichern, pflegte Kontakte zu Politikern jeglicher Coleur, um seine Existenz zu sichern."

Streit um Kulturpreis Die Öffnung zahlreicher Archive hat die Diskussion um die Nazi-Verstrickungen Eduard von der Heydt angefacht. Viele Träger des Kulturpreises der Stadt, der seinen Namen trägt, hatten sich in der Folge von dem Preis distanziert. Die Verleihung ist vorerst ausgesetzt. Die jüngsten Gutachten und Quellen liegen nun im Historischen Zentrum aus und sind auf CD-Rom zu haben. Nach den Sommerferien will Drevermann eine Empfehlung an den Rat geben, wie mit dem Preis weiter verfahren werden soll.

Die polemische Kampagne gegen den Wuppertaler Ehrenbürger und Mäzen Dr. Dr.h.c. Eduard Freiherr von der Heydt (1882 - 1964) ist haltlos. Dies war allen, die sein Leben kennen, von Anfang an klar.

Das differenzierte Bild, das namhafte unabhängige Experten jetzt auf Bitten der Stadt öffentlich von ihm vorgestellt haben, zeigt ihn zwar als Mitglied der NSDAP, aber auch als entschiedenen Kritiker der Nazis, dem zu Unrecht Antisemitismus vorgeworfen wird. Die geforderte Umbenennung des Eduard-von der-Heydt-Preises ist abwegig.

Der Bankier Eduard von der Heydt war ein gebildeter, kultivierter Kosmopolit, der in Elberfeld, London, Holland, Berlin und seit 1929 auf dem Monte Verita in der Schweiz zu Hause war. Er wurde 1937 Schweizer Bürger und gehört zu den größten privaten Sammlern und Stiftern des 20. Jahrhunderts. Vor allem Zürich und Wuppertal verdanken ihm unendlich viel.

Wuppertal nahm 1952 die bedingungslose Schenkung der Gemäldesammlung, die dessen Vater August begonnen hatte, von Eduard von der Heydt an. Sie enthielt viele moderne Bilder (im Nazi-Jargon "entartete Kunst") und soll damals einen Schätzwert von 330 Millionen Mark gehabt haben. Als Dank wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Das Wuppertaler Museum wurde daraufhin 1961 in Von der Heydt-Museum umbenannt.

Anstand und Klugheit gebieten es, Mäzene über ihren Tod hinaus gut zu behandeln, um Sammler, die selbst einmal Mäzene werden könnten, nicht zu vergraulen. Wenn die Wuppertaler jetzt von ihrem Eduard von der Heydt abrücken würden, müsste die Sammlung im Grunde genommen in andere Hände gegeben werden. Das will wohl keiner.