Ein absoluter Traumjob, der aber erstmal erarbeitet werden wollte
In ihrer Galerie Kunstkomplex an der Hofaue stellt Nicole Bardohl vertraute Sehgewohnheiten in Frage.
Was haben Wuppertal und Berlin gemein? Wer Nicole Bardohl kennt, weiß darauf nur eine Antwort: In beiden Städten gibt es eine Galerie der 41-Jährigen. Kunstkomplex ist an einer Ecke der Wuppertaler Hofaue beheimatet, die so typisch für die Stadt im Tal ist: widersprüchlich, kontrastreich, wo Musikschüler, Spielhallenbesucher und Kunstfreunde aneinander vorbeieilen. Bald acht Jahre gibt es die Galerie. Acht Jahre, die sie verändert haben: vom Raum für Theater, Film und Performances, für Kunst- und Künstleraustausch, zum Ausstellungs- und Verkaufsraum für Künstler.
Wuppertaler
Kunst(t)räume
Aufgewachsen ist Nicole Bardohl an der Grenze zu Wuppertal, im Remscheider Stadtteil Lüttringhausen. Das Kunstinteresse und der Wunsch, eine Galerie zu eröffnen, kamen früh auf, führten aber zunächst nicht in den Beruf. Stattdessen absolvierte Bardohl eine Ausbildung zur Werbekauffrau, ging nach Berlin, um dort in der Filmbranche zu arbeiten. Mit Erfolg.
Dennoch wollte sie irgendwann weg — von Stadt und Beruf. 2010 machte sich Nicole Bardohl in Wuppertal auf die Suche, entdeckte den Gebäudekomplex (daher der Name der Galerie) an der Hofaue. Das um 1900 im Stil des Historismus gebaute, denkmalgeschützte Gebäude ist (laut Stadt-Homepage) wichtiges Zeugnis der frühen Kaufhausarchitektur und heute einzigartig.
2010 befand sich das leerstehende, runtergekommene Lokal im Erdgeschoss allerdings in schlechtem Zustand. Mit tatkräftiger Hilfe ihrer Familie machte sich Nicole Bardohl damals ans Werk, renovierte die zirka 120 Quadratmeter Ausstellungsfläche in einem Haupt- und einem Nebenraum mit den knapp drei Meter hohen Wänden und alten Fenstern. Nur ein wuchtiges, ehedem bordeauxrotes Thekenrund durfte bleiben, wurde aber schwarz gestrichen und lädt heute zum Verweilen und zu Gesprächen über Kunst ein. Im November 2010 öffnete die neue Galerie.
Eine bestimmte Kunstform vertritt Nicole Bardohl nicht, „ich suche aus, was mir persönlich gefällt, was ich bei mir aufhängen würde“. Ihre, meist bildenden Künstler stellen Sehgewohnheiten in Frage. Im Moment ist das Maureen Bachaus, die sie auf der Kunstmesse in Den Haag entdeckt hat. Die Niederländerin zeigt 29 Fotoarbeiten, „gesammelte Gedanken“, sagt die Galeristin. Interaktive Projekte oder Performances, die sie teilweise bestickt, meist betextet. Bachaus wurde von der zur Luciano Benetton gehörenden Imago Mundi-Kunstsammlung zu den 200 innovativsten Künstlern gewählt, wird dieses Jahr bei der Biennale in Venedig mitwirken.
Weitere Künstler der Galerie sind, unter anderem, die schwedische Performancekünstlerin Anna Berndtson, der aus der Bretagne stammende Maler Steven Hautemanière mit seinen Landschaften in surrealer Atmosphäre, der Australier Kim Demuth mit seinen dreidimensionalen Fotografien, der Belgier Acher Reinbold mit seinen sozialkritischen Collagen. Über das Kunstkomplex-Format „Hinterzimmer“, das Studenten eine Plattform bietet, kamen zuletzt Carla Sophie Schnettler und Lisa Wisse hinzu. Im April bestreitet Wisse ihre erste Einzelausstellung im Kunstkomplex.
Hat Nicole Bardohl den Sprung aus dem sicheren Angestelltenverhältnis ins Unternehmertum bereut? Nein, sagt sie: „Sicher war es ein Kulturschock, aber das hat mich geerdet. Das ist mein absoluter Traumjob, den ich mir aber erarbeiten musste“. Seit letztem Sommer übt sie ihn auch in Berlin aus, wo sie mit ihrem alten Geschäftspartner Tilman Scheel eine Galerie führt.