Neues Kapitel für Hirsch-Apotheke
Hans Wilhelm Herberg (67) war 46 Jahre in Ronsdorf der Mann für Risiken und Nebenwirkungen.
Ronsdorf. „Eine kleine Apotheke ist zwar zu finden, der Apotheker hat aber so wenig zu tun, daß er einstmalen, wolle er nicht Hungers sterben, zum Brodbacken sich bequemen mußte.“ So steht es, notiert von Johann Werner Knevels, in Folianten, in denen die heutige „Hirsch-Apotheke“ in Ronsdorf schon vor 1751 erstmals erwähnt wurde. Doch die eigentliche Geschichte der traditionsreichen Pharmazie an der Marktstraße 22 beginnt damit, dass Johann Friedrich Lohe am 13. Februar 1798 das Privileg erhielt, in Ronsdorf eine Apotheke führen zu dürfen.
Und diese Apotheke geht nun am 31. März dieses Jahres in neue Hände über. Hans Wilhelm Herberg (67) übergibt sie nämlich nach 46 Jahren segenreicher Tätigkeit an seine Kollegin Antoinette Jakobitz, die Inhaberin der Albert-Schweitzer-Apotheke gegenüber, nur getrennt durch den Bandwirkerplatz, in der Staasstraße. „Wir finden beide, dass das die glücklichste Lösung für die Ronsdorfer und für Frau Jakobitz und mich die logische Konsequenz ist. Die Patienten müssen sich nicht an neues Personal oder andere Umgangsformen gewöhnen, da meine gesamte Mannschaft übernommen wird.“
46 Jahre hat er selbst in der Hirsch-Apotheke gearbeitet, die nach ihrer Zerstörung durch die Bomben von 1943 von seinem späteren Schwiegervater Otto Sabel 1949 neu aufgebaut und bis 1974 geführt wurde. Seine Tochter Gisela leitete sie bis zu ihrem Tode 2007 zusammen mit ihrem Ehemann Hans Wilhelm Herberg, der dann als Alleininhaber die Ronsdorfer mit den nötigen Medikamenten und vor allem mit Ratschlägen versah. „Einige, die schon als Kinder und Jugendliche zu uns gekommen sind, sind heute schon Großeltern“, erzählt der erfahrene Apotheker. „Da kennt man die Menschen, weiß oft schon genau, wo es sie zwickt und was ihnen der Arzt wohl verschrieben hat.“
Als Apotheker für seine Stammkunden und -patienten tätig zu sein, beschränkt sich nicht darauf, die richtige Schublade zu ziehen und nach der passenden Arznei zu greifen. „Man muss auch wissen, wie man die Menschen, die man seit Jahren und Jahrzehnten kennt, anspricht und in ihnen nicht nur Kundschaft sieht.“ Und gewiss gehört auch dazu, den Patienten in leicht fasslicher Form Wirkungen und Nebenwirkungen zu erklären, die auf den Beipackzetteln nur in kaum verständlicher und schwer lesbarer Form erläutert sind.
Daran hat sich in den vielen Jahren nichts geändert, im Gegensatz zum Erscheinungsbild der Apotheken. Wo früher dunkles Holz und Schubladen mit weiß emaillierten Schildern und weiße Behälter aus Porzellan hinter den „Handverkaufstischen“ die Optik bestimmten und eine eher düstere Atmosphäre vermittelten, ist heute der Raum lichtdurchflutet. Und die moderne Ausstattung besteht aus hellen Holzregalen und Schränken. Der Computer erleichtert die Bevorratung. Dennoch, der alte Mörser wird noch gebraucht. Denn nicht alle Medikamente werden von den Firmen in gewünschter Form geliefert. So manches Mal muss der Apotheker selbst die für die Patienten richtige Mischung aus den hilfreichen Ingredienzien zusammenmischen.
So wird es auch bleiben, wenn Herberg am Karsamstag, 31. März, zum letzten Mal seine Apotheke abschließt. Langeweile wird der Vater von zwei Söhnen und Enkeln nicht haben. Reisen will er. „Gern werde ich aber auch durchs Dorf gehen, mit den Menschen sprechen und wissen, dass meine frühere Apotheke in besten Händen ist“, so Herberg, der es griffig formuliert: „Es bliebt alles beim Alten, nur der Alte geht.“