Ein Gedenkstein erinnert bald an Sussy

Das Aborigine-Mädchen starb 1885 in Elberfeld — nachdem sie auf Völkerschauen als Anschauungsobjekt herhalten musste.

Foto: Andreas Fischer

Sonnborn. Viel weiter weg von zu Hause kann man kaum begraben werden. Sussy (nach einigen Quellen auch Susy), damals 17 Jahre alt, fand 1885 auf dem Sonnborner Friedhof an der Kirchhofstraße ihre letzte Ruhe. Gezeichnet von „Blutarmut und Lungenschwindsucht“, wie die Zeitungen schrieben, und gut 15 000 Kilometer entfernt von dort, wo gut zwei Jahre zuvor der Leidensweg des Aborigine-Mädchen begonnen hatte. Im Auftrag des berühmten Zirkuspioniers Barnum hatte Robert A. Cunningham, Schausteller und Menschenjäger, Sussy mit weiteren australischen Ureinwohnern per Schiff erst nach Amerika und später nach Europa verfrachtet, um sie bei Völkerschauen als „Wilde“ präsentieren zu können. Damit der animalische Eindruck verstärkt wurde, ließ Cunningham seinen Schützlingen noch Knochen in die Nase bohren — und kündigte sie als Kannibalen an. Nur drei der neun Aborigines sollen überhaupt die Strapazen überlebt haben. Ob sie aber jemals, wie behauptet, ihre Heimat in Queensland wiedersahen, lässt sich heute nicht mehr klären.

Foto: Carl Günther/Repro: Andreas Fischer

Ein dunkles Kapitel der Geschichte, doch zumindest in Sonnborn soll an das Schicksal von Sussy bald erinnert werden. Cesare Lazaros Borgia, Stadtarchiv-Mitarbeiter in Solingen, wurde bereits vor einigen Jahren auf „Prinzessin Sussy“, wie das Mädchen auf den Schauen, die unter anderem im Elberfelder Zoo stattfanden, angepriesen wurde, aufmerksam. „Auch ihr Grab ist ja bekannt“, weiß Borgia. In alten Unterlagen war der Evangelische Friedhofsverband, der auch den Friedhof in Sonnborn betreut, fündig geworden. „Hier muss es sein“, sagt Detlef Westphal beim Ortstermin an der Kirchhofstraße, und zeigt auf eine kleine Grünfläche, umgeben von Gräbern. Dass dort Sussy liegt, wissen nur Eingeweihte. „Aber das soll sich ja ändern“, sagt Borgia, der einige „Klinken geputzt hat“, damit endlich ein Gedenkstein oder eine Tafel aufgestellt wird. Mit dem Zoo habe er zum Beispiel bereits Kontakt aufgenommen. „Die haben schon gespendet.“ Die Bezirksvertretung und den Bürgerverein will er kontaktieren, und auch der Friedhofsverband hat seine Unterstützung zugesagt. „Wir schauen gerade, ob es vielleicht einen Stein in unserem Besitz gibt, der sich hierfür eignet“, erklärt Westphal.

Sussys Leidenszeit lässt sich dank zahlreicher Quellen auch heute noch ziemlich genau nachvollziehen. Manfred Görgens, Journalist aus Wuppertal, hat einiges dazu zusammengetragen. Etwa aus dem Aufsatz des ehemaligen Zoodirektors Ulrich Schürer, der sich 2002 mit der Geschichte der Völkerschauen befasst hatte, oder aus dem Buch „Professional Savages“ (deutsch etwa „Professionelle Wilde“) der australischen Anthropologin Roslyn Poignant, die für ihre Recherchen sogar in Wuppertal war. „Und natürlich schrieben 1885 auch die Zeitungen viel über die Völkerschauen“, sagt Görgens.

Und was dort zu lesen war, wirkt heute nur noch verstörend. Etwa, dass die „Australneger auf der niedrigsten Stufe der Menschheit stehen“. Oder billige Scherze über den angeblichen Kannibalismus. Der Andrang im Zoo war indes riesig. Für 20 Pfennig Eintritt kamen die Massen, um die „Wilden“ zu begaffen. Doch wer wirklich die Wilden waren, lässt sich an einem Artikel der Elberfelder Zeitung ablesen. Als die Aborgine-Truppe im Juni 1885 einmal auf dem Heimweg vom Zoo zu ihrer Unterkunft in Sonnborn war, umzingelten sie mehr als 100 Schaulustige. Susy & Co. wurden „regelrecht attackiert, wobei man ihnen fast die Kleider vom Körper riss“, schreibt der damalige Autor und fügt an: „Einem Polizisten fiel nichts besseres ein, als den ,Wilden’ Unruhestifterei vorzuwerfen.“ Sussy selbst starb einige Tage später.