Ein Leben mit Friedrich Engels

Eberhard Illner, ehemaliger Leiter des Historischen Zentrums Wuppertal, spricht über seinen Un-Ruhestand.

Foto: Anna Schwartz

Im Dezember wurde er verabschiedet, am 1. Februar geht er in den Un-Ruhestand. Zum Gespräch kommt ein gut gelaunter Eberhard Illner ins Historische Zentrum, dessen Geschichte er knapp zehn Jahre lang geprägt hat. Zentrales Thema — natürlich — Friedrich Engels, mit dem es der gebürtige Düsseldorfer auch jetzt hält: Engels habe zu Beginn seines Ruhestands geschrieben, erfühle sich zehn Jahre jünger: „Und genau so fühle ich mich jetzt auch.“

Sie sind Historiker — was reizt Sie mehr: Die wissenschaftliche oder die Forschungsarbeit?

Illner: Beides. Wobei der Schwerpunkt mehr auf der wissenschaftlichen Arbeit an Friedrich Engels liegt: Die Anfänge meines Studiums und meiner Dissertation habe ich im Engelshaus verbracht. Und ich habe die ganze Entwicklung des Historischen Zentrums miterlebt. Bei mir geht es immer auch um Vermittlung nach dem Vorbild der britischen Historiker — auf korrekter wissenschaftlicher Basis, aber sehr gut lesbar.

2008 als neuer Leiter des Historischen Zentrums war Ihre Devise „history goes popular“.

Illner: Für mich war es ein wunderbarer Schritt, 2008 an den Ursprung meiner Tätigkeit zurückzukehren. Gerade in den ersten Jahren hier hatte ich alle Möglichkeiten. Das Museum war von meinem Vorgänger fast geschlossen gehalten worden. Ich öffnete es durch Themenausstellungen in Ergänzung zur Dauerausstellung.

An welche Ausstellungen erinnern Sie sich besonders?

Illner: Da ist die Ausstellung zum Biedermeier „Von Tugend und Glück“. Die Familie Engels ist ja Exponentin des Biedermeiers. Dann die zur Pressefreiheit 2015. Marx und Engels waren vehemente Kämpfer für die Pressefreiheit. Und wir haben auch noch Originale gehabt. Vergangenes Jahr hatten wir die Ausstellung „Technische Paradiese“, nachdem wir zuvor schon eine Ausstellung zur Geschichte der Fotografie gemacht hatten. Engels hat sich stark mit Naturwissenschaften und Technik beschäftigt. Wichtig ist auch noch die Sammlung zum kommunistischen Manifest, wir haben 250 Druckausgaben, die wir gezeigt haben. Die Ausstellung ging auch nach China. Und natürlich die Ausstellung „Expedition Materia“, die viele Schulklassen ins Museum brachte.

Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit China, gerade auch im Hinblick auf das Engelshaus?

Ilner: Sehr viel. Wir haben vielfältige Verbindungen. China ist für NRW Handelspartner Nummer drei. 2012/13 kam es im Historischen Zentrum zu einem dramatischen Einbruch: Die Besucherzahlen stiegen an, ebenso die Führungszahlen, da wurden wir aufgrund von Brandschutzmängeln plötzlich ausgebremst. Folge: Wir taumelten von einer Schließung zur nächsten im Engelshaus und im Museum. Wir versuchten mit Sonderausstellungen gegenzulenken. Der Makel aber war da. Damit das Engelshaus, das zuletzt in den 60er Jahren renoviert worden war, wieder flott wird, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Ich schrieb umfangreiche Konzepte, wir fanden aber keine Finanzierung. Durch das große Interesse der Chinesen am Engelshaus wurde das Wirtschaftsministerium auf unser Projekt aufmerksam. Wir bekamen einen Spitzenplatz beim landesweiten Ranking und — nach einer längeren Geschichte — 4,7 Millionen Euro Fördermittel vom Land bei Gesamtkosten von 9,7 Millionen Euro. Nun soll das Historische Zentrum wirtschaftliche Infrastruktur und hier konkret den Tourismus stärken. Auch das Museum muss modernisiert werden. Das macht der LVR. Insgesamt ist jetzt alles auf einem guten Weg.

Wie war Ihre erste Begegnung mit Engels?

Illner: 1977 bei meiner Dissertation: Ich war sofort fasziniert, weil er spritzig, hochaktuell und brillant schreibt.

Müssen wir Engels neu sehen?

Illner: Wir müssen Marx und Engels in ihrem historischen Kontext sehen. Engels hat viele Artikel geschrieben, wo Marx draufsteht. Engels hat Marx erst auf die Ökonomie gebracht. Das alles stellt sich jetzt erst durch die neue historisch-kritische Werkausgabe zu Marx heraus. Das ist wichtig, um die Diskussion zu entideologisieren. In der Publizistik läuft derzeit viel. Nur beim Film arbeitet man mit allen alten Klischees. Dabei hat Engels alles, was man für einen tollen Film braucht: Sex and Crime, Kämpfe, Politik, ein toller Typ, — Marx ist todlangweilig.

Warum hören Sie jetzt auf?

Illner: Regulär träte ich zum 1. November 2019 in den Ruhestand. Nun aber höre ich gleichzeitig mit meiner Frau auf, sitze ab 1. Februar in der Landesbibliothek Düsseldorf, zehn Minuten von Zuhause. Ich möchte meine Kraft, für ein wissenschaftliches Forschungsprojekt einsetzen, das bis 2020 fertig sein muss. Es geht um Engels und die industrielle Revolution. Außerdem machen meine Frau und ich worklife balance und kümmern uns um unsere vier Enkel und zwei Söhne.

Wo sind Sie, wenn das Engels-Jubiläum gefeiert wird?

Illner: Wahrscheinlich zu Hause. Mein Prinzip ist, dass alte Direktoren kein Wort ungefragt zu dem sagen, was der Nachfolger macht.