„Künstler schaffen Lebensqualität für Wuppertal“

Tine Lowisch über die Bemühungen, die Menschen für Kultur zu interessieren. Das Freie Netz Werk Kultur veröffentlicht einmal in der Woche eine neue Kolumne in der WZ.

Foto: C. Scheer van Erp

Die Möglichkeiten, die Kunst- und Kulturschaffende in Wuppertal haben, die Aufgaben, die sie sich immer wieder neu stellen und die Strukturen, die sie seit Jahrzehnten in dieser Stadt immer wieder neu schaffen, sind vielversprechend. Ebenso wie der Wandel, der sich im Moment offensichtlich in unserer Gesellschaft vollzieht.

Vielleicht auch, weil die Krisen zur Normalität geworden sind und die sogenannte Normalität immer neue Krisen hervorbringt, versprechen wir uns von unseren intensiven lokalen Bemühungen, dass wir durch unser Tun die Menschen wieder mit der Kunst zusammenbringen. Mein Mann sagt immer: „Ich sehe die Aufgabe der Kunst darin, den Menschen herauszufordern, sich zu interessieren. Denn erst der interessierte Mensch geht zur Kunst. Also muss vor dem Interesse das Unerwartete zu den gewohnten Orten gebracht werden. Künstler leisten Pionierarbeit. Es ist also meine Aufgabe, es anders zu machen und ich darf mich, auch wenn es bequem wäre, nicht in ritualisierten Wiederholungen verstricken.“

Die Kunst- und Kulturschaffenden, die in dieser Stadt leben, liefern allesamt Qualität, denn sie schaffen Lebensqualität für Wuppertal. Ob Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, gefällt, was Sie vor sich sehen, oder was Sie in Lesungen, Konzerten und Aufführungen erleben, ist dabei erst einmal nicht so wichtig. Vielleicht ist es sogar besonders wichtig, dass es Ihnen zunächst einmal nicht gefällt, es Ihnen unverständlich ist, Sie sich aufregen oder sogar langweilen.

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Wuppertal

Denn wenn es stimmt, dass Kunst transformierte Fantasie ist und Fantasie nur dann entsteht, wenn man gewohnte Muster verlässt, dann wäre es in meiner Vorstellung bei jeder Vorstellung ausverkauft. Vor Museen, Theatern, Ausstellungs- und Projekträumen wären lange Besucherschlangen ein gewohntes Bild. Schulklassen würden nicht nur selber malen oder Tänze einstudieren, sondern mindestens einmal im Halbjahr selbstverständlich zu den Kulturveranstaltungen von begeisterten Lehrerinnen und Lehrern begleitet werden — und dann eines Tages freiwillig mit ihren Eltern, Freunden, oder Nachbarn an die Erlebnisorte zurückkehren.

Künstler würden sich mit den Erlösen aus den gut besuchten Veranstaltungen an ihre prekäre Lebenssituation, in der sie heute leben müssen, als prägende Phase, als harte Schule, erinnern und durch die einschneidenden Erlebnisse, die Prekäres so mit sich bringt, niemals maßlos werden und sich immer auch um die Weitergabe von Erfahrungen und den künstlerischen Nachwuchs kümmern.

Der Satz: „Das kann ich auch“ würde aus den Köpfen der Besucher verschwinden und sich zu einer Frage umwandeln. „Kann ich das auch?“ Können Sie 100 Bilder malen, nicht nur eins? Können Sie 100 Bücher oder Musikstücke schreiben, nicht nur eins, oder 100 Skulpturen bauen für einen Freund und dann noch hundert dazu? Ich kann das nicht. Ich mache es mein Leben lang schon anders. Ich konsumiere mit Begeisterung Skulpturen, Installationen, Bilder, Performances, versuche so viele Bücher wie möglich zu lesen, Konzerte zu hören oder Aufführungen zu erleben. Manchmal breche ich dann bewusst aus meinem Verhaltensmuster aus und gehe zum Sport, zur Politik oder in den Wald. Um meine Fantasie zu trainieren. Denn allein zur Kunst zu gehen, ist sehr fordernd, fast schon anstrengend. Und manchmal denke ich mir dann: Das kann ich jetzt auch mal machen.