Auswanderer Vom Buschpiloten zum Buchautor
Wuppertal · Der Wuppertaler Mike H. Kemper lebte sein halbes Leben in Kanada. Jetzt ist er zurück.
Das Haus von Mike H. Kemper liegt im Nirgendwo, 20 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt im Inneren von Kanada nahe der Grenze zu den USA. 16 Hektar – also rund 26 Fußballfelder – Sumpf und Nadelbäume umgeben das Häuschen, das er selbst errichtet hat. Wölfe, Schwarzbären und Pumas schleichen ums Gebäude. Das Gewehr liegt immer griffbereit, um im Notfall Bären zu verjagen. „Wenn ich nach Deutschland komme, muss ich alle Lebensmittel, aber auch die Zahnpasta in den luftdichten Kühlschrank packen, damit die Bären nicht eindringen“, erzählt Mike H. Kemper. Die Hälfte seines Lebens verbrachte der Sohn deutscher Eltern in Kanada, die andere in Wuppertal. Seit drei Jahren lebt er jetzt der Liebe wegen wieder in Elberfeld und kehrt nur für ein paar Wochen pro Jahr in sein entlegenes Heim zurück. Doch irgendwann möchte er wieder ganz nach Kanada ziehen, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt.
„Das Land ist kalt, groß und frei“, erzählt der 59-Jährige. Selbst 300 Kilometer Entfernung gelten als quasi nebenan. Sieben Monate dauert dort der Winter mit teilweise Temperaturen von 30 Grad minus. Aber die Menschen seien höflicher als in Deutschland - „weil es dort so wenige gibt. Man freut sich mehr, einen zu sehen.“ Mit 22 Jahren flüchtete Kemper aus dem ihm zu engen Wuppertal. Mit dem Geld, das er mit Taxifahren verdient hatte, reiste er nach Montreal zu seinen Verwandten und dann einmal quer durch Kanada. Vom Rest seiner Ersparnisse kaufte er für 5000 Mark das Grundstück.
Der Idee eines Nachbarn folgend nahm er Flugstunden und erhielt 1986 die kommerzielle Pilotenlizenz. Nachdem er noch eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker absolviert hatte, begann er als Buschpilot. Vier Jahre lang brachte er jeweils im Sommerhalbjahr US-Amerikaner zum Angeln an entlegene Seen in Kanada. Zwei bis drei Passagiere mit Angelgerät und Proviant flog er in seiner Cessna zu Fischerhütten, die ausschließlich per Flugzeug erreichbar sind. Seine turbulenten Erlebnisse währenddessen schildert er in seinem selbst verlegten Buch „Tod am Biberteich“. Er erzählt, wie er in Zeiten ohne GPS mit Landkarte auf den Knien auf Sicht geflogen ist und nach dem bestimmten See mit Anglerhütte gesucht hat. Wie er manchmal aufgrund von Überladung seine Cessna fast nicht vom Wasser bekommen hätte oder einmal einen Toten transportieren musste. Und wie er feucht-fröhliche Partys feierte und trotzdem am nächsten Tag 16 Stunden „Flugbus“ absolvierte.
Schon früher hatte Kemper seinen Erfahrungsschatz in sieben englischsprachigen Kurzgeschichtensammlungen verlegt. Für sein deutsches Buch hat der „Action Artist“, wie er sich nennt, eine Rahmenhandlung gewählt: Ein Wuppertaler – die Geschichte ist im Wesentlichen autobiographisch – wird unter Mordverdacht verhaftet und verbringt 16 Tage im Gefängnis. Wie die Gedanken in so einer Situation schweifen, so bindet Kemper Fluganekdoten, Erinnerungen an Liebschaften und die Geschichte seines Vaters aneinander. Übergangslos fließen sie ineinander über, in einer direkten, nicht immer deutscher Orthographie und Grammatik gehorchenden Sprache. „Ich wollte kleine, abgeschlossene Päckchen wegen der kurzen Aufmerksamkeitsspanne in der modernen Welt“, erklärt Kämper.
1993 kam er nach Wuppertal zurück, um sich nach dem Tod seiner geschiedenen Frau um seinen Sohn zu kümmern. Wie vorher in Kanada arbeitete er auch hier als fliegender Fotograf, verkaufte Luftbilder von Gebäuden und Landschaften. Jetzt hat er innerhalb von vier Monaten sein Buch geschrieben und veröffentlicht.