Eine Forscherin will die Welt verändern

Dr. Juliane Köberlein-Neu setzt in Lehre und Forschung auf die Vermittlerrolle zwischen Pflege und Management.

Foto: Andres Fischer

„Was meiner Meinung nach wirklich gesund macht und gesund hält, ist das Wissen!“, sagt Dr. Juliane Köberlein-Neu. Sie ist die Vorstandsvorsitzende des Bergischen Kompetenzzentrums für Gesundheitsökonomik und Versorgungsforschung (BKG) und hebt damit die Verantwortung jedes Menschen in Bezug auf seine eigene, individuelle Gesundheit hervor. „In den vergangenen Jahren ist die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen stärker in den Fokus der Forschung gerückt“, sagt die Wissenschaftlerin.

Sie stellt fest, dass das Ziel auch darin besteht, Patienten zu befähigen, eine bewusst aktive Rolle in der eigenen Gesundheitsversorgung zu übernehmen. Das habe den Vorteil, dass Therapien nicht mehr diktiert werden, sondern dass der Patient sich durch „die Verbundenheit zu einer vorgeschlagenen Therapie noch enger und besser daran orientiert“, und dann umsetzen könne, was Ärzte, Apotheker und Therapeuten vorschlagen.

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Köberlein-Neu war eine der Ersten, die den Studiengang Gesundheitsökonomie in Köln belegte. Sie entschied sich bewusst gegen ein Medizinstudium und macht auch heute allen Studieneinsteigern, die sich mangels ausreichendem Numerus clausus für ihr Fach entscheiden, unmissverständlich klar, dass es sich bei der Kombination Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement um ein hauptsächlich wirtschaftswissenschaftliches Fach handelt.

Das Interesse am Patienten war ausschlaggebend für ihre eigene Studienentscheidung. „Das Objekt der Begierde sind keine Zahlen, sondern es ist der Patient“, sagt sie. Die Richtung des Studiums bestimme jeder einzelne für sich. Man könne sich in verschiedene Richtungen entwickeln. Man könne sich wirtschaftswissenschaftlich orientieren, also sich überwiegend für die Kosten und die ökonomischen Auswirkungen von Krankheit und Ungleichheit in der Gesellschaft interessieren. „Man kann aber auch sagen, mich interessiert eigentlich die Versorgung. Dann ist man Idealist und denkt, als Forscher könnte man noch ein bisschen die Welt verändern. Das ist der Weg, den ich für mich eingeschlagen habe“, sagt Köberlein-Neu.

In der Versorgungsforschung sieht Köberlein-Neu einige Vorteile. Viele Fragestellungen können fachübergreifen bearbeitet werden und so zur Weiterentwicklung der regionalen sowie überregionalen Gesundheitsversorgung beitragen. Auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit sieht sie viele Chancen, „wenn ich aktiv daran interessiert bin, den Patienten umfassend zu versorgen, aber nicht den Anspruch habe, es alleine zu tun.“

Der Weg von der Theorie zur Praxis ist allerdings hart. Zunächst beginnt die Recherche nach Projektpartnern, die bereit sind, neue Wege einzuschlagen. „Wir haben in einem Projekt über ein Jahr gebraucht, um Apotheker und Ärzte zusammen zu führen und auch beiden klar zu machen, dass jeder seine Berechtigung hat“, sagt Köberlein-Neu.

Ein so definiertes Ziel hat das Projekt „solimed ePflegebericht“ in Solingen, welches durch EFRE.NRW, der Europäischen Union und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Inhalt des Projektes ist die Erprobung eines elektronischen Pflegeberichts auf „Knopfdruck“, der den Beteiligten notwendige Informationen für eine optimale medizinische Versorgung und Pflege von geriatrischen Patienten sofort zur Verfügung stellt.

So wird der Dokumentationsaufwand für Krankenschwestern, -pfleger und Pflegefachkräfte zum einen reduziert und zum anderen sind alle Beteiligten gleichzeitig informiert. „Alle Projektpartner sind mit sehr viel Herzblut dabei. Ich freue mich sehr, dass wir dieses innovative Projekt wissenschaftlich begleiten dürfen“, schwärmt Köberlein-Neu. Das Projekt läuft noch bis 2020, doch Köberlein-Neu hofft, dass sich hieraus weitere Folgeprojekte ergeben, denn nachhaltige Änderungen der Versorgungen bedürften Zeit.

Die Diskrepanz zwischen Management und Pflege ist der gebürtigen Eisenacherin wohl bewusst, aber auch da sieht sie in ihrem Studiengang ganz klare Zukunftschancen. „Diese Studiengänge sollen dazu führen, dass Führungskräfte heranwachsen, die das nötige Bewusstsein mitbringen. Sie kennen dann auf der einen Seite die Pflege und die Bedürfnisse der Mitarbeiter, auf der anderen Seite aber auch die ökonomischen Zwänge.“

Daher motiviert sie auch die oft aus der Pflege kommenden berufsintegrierten Studierenden, die einen ganz anderen Blick auf die Gesundheitsökonomie haben. „Die fragen sich viel öfter, ob sie das richtige Studium gewählt haben, da sie ja eigentlich für den Menschen und nicht für das Management da sind“, erklärt Köberlein-Neu. Sie motiviert die Lernenden zum Durchhalten, indem sie ihnen ihre spätere Vermittlerrolle im System erklärt.

Uwe Blass ist Mitarbeiter des Uniservice Transfer der Bergischen Universität.