Bildung Lehrermangel: „Es wird sich nicht wesentlich verbessern“

Wuppertal · Nach Angaben der Gewerkschaft sind aktuell 100 Stellen nicht besetzt. Viele Seiteneinsteiger auf Vertreterstellen.

In Wuppertal mangelt es nicht an Schülern, an Lehrern dafür noch längere Zeit. 

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Ausgefallene Stunden, zusammen unterrichtete Klassen, große Kurse: Das sind die Folgen des Lehrermangels. Nach Angaben von Tino Orligshausen vom Leitungsteam der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Wuppertal fehlen aktuell 100 Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen der Stadt. Derzeit laufen Einstellungsverfahren – zum neuen Schulhalbjahr könnten neue Lehrkräfte kommen, „aber ich glaube nicht, dass es sich wesentlich verbessert“, sagt Tino Orligshausen.

Bei der zuständigen Bezirksregierung heißt es: „Das Stellenbesetzungsverfahren zum Februar 2019 läuft derzeit auf Hochtouren.“ Ein Blick auf die letzten Einstellungstermine auf der Internetseite der Bezirksregierung zeigt, dass zuletzt stets nur ein Teil der offenen Stellen besetzt werden konnte: Zum Februar 2018 wurden in Wuppertal 37 Prozent der ausgeschrieben Stellen besetzt, zum Mai 68 Prozent, zum August 54 Prozent um zum November 66 Prozent.

Grundschulen suchen
am meisten neue Lehrer

Bei den Grundschulen ist das Problem am größten. Für 289 ausgeschriebene Stellen fanden sich zu den vier Einstellungsterminen 2018 gerade mal 146 Neubesetzungen. Aktuell seien rund 40 Stellen ausgeschrieben, sagt Tino Orligshausen. Er erwartet, dass sich dafür nur wenige neue Kollegen finden. „Das ist doch ein deutliches Zeichen, dass der Markt leer gefegt ist.“

Das bestätigt die Bezirksregierung: „Leider gelingt die Besetzung von ausgeschriebenen Lehrerstellen aufgrund der Anzahl möglicher Bewerber/innen derzeit nicht vollständig.“ Das sei auf einen Mangel geeigneter Bewerber zurückzuführen.

Dabei zeigen die Zahlen nur einen Teil des Problems. Orligshausen erklärt, dass der Mangel weniger auffalle, weil Klassen und Kurse größer gemacht würden, kaum noch zwei Lehrer in einer Klasse unterrichten, obwohl das mal das Ziel war. Es würden auch immer mehr Seiteneinsteiger eingestellt – seiner Schätzung nach derzeit mehr Seiteneinsteiger als ausgebildete Lehrer. Diese könnten anfangs nur eine reduzierte Stundenzahl unterrichten, weil sich noch weiter qualifizieren müssen.

Probleme haben auch Real- und Gesamtschulen. Denn außer an Grundschulen gibt es vor allem in der Sekundarstufe I (Unter- und Mittelstufe) einen Mangel. „Seit der Studienreform werden falsche Anreize besetzt“, sagt Tino Orligshausen. Das Studium dauere inzwischen für alle gleich lang, unabhängig davon, für welche Schulform die Studierenden ausgebildet werden. Doch Lehrer für die Sekundarstufe II (Oberstufe) erhalten am meisten Gehalt, die der Sekundarstufe I weniger und am wenigsten die Grundschullehrer. Aktuell würden am Lehrerseminar für das Bergische Land 240 Referendare für die Sekundarstufe II ausgebildet, aber nur 80 für Sekundarstufe I, sagt Orligshausen.

Das Land habe inzwischen angeboten, dass die Oberstufenlehrer für die Mittelstufe eingestellt, dann nach vier Jahren automatisch wie Oberstufenlehrer bezahlt werden. Doch dafür müssten sie eine zusätzliche Qualifikation erwerben und eine Prüfung ablegen, obwohl sie im Studium ebenfalls für die Sekundarstufe II augebildet wurden. „Viele sind nicht bereit dazu“, sagt Orligshausen.

Vergleichsweise gut stehen die Gymnasien da. Doch der Gewerkschafter erwartet, dass die Rückkehr zu G9 dort ebenfalls zu deutlicheren Engpässen führen wird. Auch dort seien die Klassengrößen gewachsen und immer öfter werde der Fachunterricht in der Mittelstufe von fachfremden Kollegen erteilt – häufig ohne dass das Eltern und Schülern bewusst sei. „Das ist keine Ausnahme mehr“, sagt Orligshausen.

Die Gewerkschaft fordert schon lange, dass alle Lehrer unabhängig von der Schulform entsprechend der Besoldungsstufe A13 bezahlt werden. Dass das Gehalt der angestellten Lehrer an das der Beamten angepasst wird. Und dass die Befristung von Anstellungsverhältnissen beschränkt wird.