WZ Wissen Ex-Agent verrät seine Verhör-Tricks

Leo Martin informierte in der Reihe „WZ Wissen“ darüber, wie man Vertrauen auch bei Schwerverbrechern wecken kann.

Ex-Agent Leo Martin (v.l.) machte ein Live-Experiment mit Ehepaar Winfried und Bärbel Marx, Anja Pauls und René Hebold.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Über Kommunikation, ihre Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen, ihr Zustandekommen und Scheitern gibt es zahlreiche Fachbücher. Insofern hätte es sich Leo Martin vermutlich leicht machen und ein paar Schaubilder auf die Power-Point-Leinwand werfen können, garniert mit einigen Exkursen über Sprache, Denken und Verstehen. Da Martin aber offenbar vor allem ein Mann der Tat ist, bindet er bei seinem Vortrag in dem Verwaltungsgebäude der Barmenia-Versicherungen flugs das Publikum mit ein. Anlässlich der Reihe „WZ Wissen“ informiert er am Mittwochabend über das Thema „Vertrauen“ und wie es in der Kommunikation geschaffen wird.

Da Miteinander-Sprechen immer noch am besten funktioniert, wenn man eher mit- als übereinander redet, sucht Martin gleich den kurzen Draht zum Publikum. Bevor er noch richtig loslegt, beginnt er mit einer Übung für das Publikum, bei der es darum geht, zunächst aufzustehen und sich nach seiner Aufforderung („drei, zwei, eins – jetzt“) wieder in einer Team-Bewegung zu setzen. Das einzige Problem: Martin spart das „jetzt“ zunächst aus und senkt lediglich die Arme. Mit der Folge, dass sich das Gros schon nach dem „drei“ setzt. Für den Kommunikationsexperten ist das ein Zeichen dafür, dass Menschen gerne an „alten Denk- und Verhaltensmustern“ festhalten und zudem oft dem Herdentrieb folgen.

Martin ist ehemaliger Ex-Agent des „größten deutschen Inlandsgeheimdiensts“ (genaue Namen nennt er da nicht) und war nach eigenen Angaben damit betraut, Verbindungsmänner aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität für die Aufklärung von schweren Straftaten zu rekrutieren. Dabei sei es in seiner täglichen Arbeit darum gegangen, Vertrauen zu einem „Typen aufzubauen, der überhaupt kein Interesse an einem Kontakt“ hat.

Um hier vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen, musste Martin die Worte und Gesten - das verbale und das nonverbale Verhalten - seiner Gegenüber genau einschätzen und interpretieren lernen. Dass der Dialogpartner dabei in der Regel ein Schwerverbrecher war, musste er ausblenden und eine professionelle Distanz wahren, erzählt der studierte Kriminalwissenschaftler. Ziel war es, dass sich  „die Menschen öffnen, um verwertbare Informationen zu erhalten“. Dazu wurden sie jedoch über eine rhetorische „Stresstreppe“ geführt, also in einer Verhörsituation systematisch unter Druck gesetzt, um am Ende die gewünschte Kooperationsbereitschaft der Kriminellen zu erreichen oder an Infos zu gelangen.

Leichte Zuckungen
verraten die kleinste Lüge

Wie Vertrauen in der Kommunikation geschaffen werden kann, führt Martin den rund 350 Besuchern der ausverkauften Veranstaltung vor, indem er vier Helfer aus dem Publikum auf die Bühne holt: Anja, René, Bärbel und Winfried. Sie müssen nun unter anderem einen Test mit einer weißen oder schwarzen Kugel absolvieren. Jeder der vier nimmt eine Kugel und versteckt sie hinter dem Rücken – es sind drei weiße und eine schwarze. Martin muss nun durch Befragung der vier „Probanden“ eine Einschätzung abgeben, welche Kugelfarbe die Befragten haben und ob sie wahrheitsgemäß auf seine Fragen antworten.

Bei Winfried bemerkt er, dass dieser seinem Blick etwas ausweicht, also hat er vermutlich gelogen, auch die Stellung der Mundwinkel oder allzu heftige Reaktionen auf die Frage bringen den Experten auf die richtige Spur. Das erinnert in der Vorführung ein bisschen an einen Zaubertrick, wobei Martin sein Vorgehen und die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen seine Verhörtaktik fußt, genau erklärt. Als Ergebnis kann der Kommunikationsexperte auf jeden Fall jede Kugelfarbe korrekt jedem der vier Kandidaten zuweisen.

Leo Martin trägt seine Ausführungen locker und mit einem Sinn für Gags und Pointen vor, die vergessen lassen, dass diese Strategien aus einem üblen Arbeitsumfeld stammen – in denen einem ansonsten eher selten zum Lachen sein dürfte. Grundsätzlich gebe es zwei Punkte, die über Erfolg oder Misserfolg von Kommunikation entscheiden, erklärt der aus München angereiste Referent zum Abschluss: Sicherheit und verlässliche Klarheit in den Aussagen sowie die Bereitschaft zur Anerkennung und Wertschätzung des Gegenübers.