Familienpatin bringt Regeln in die Familie

Wenn Mütter überfordert sind, hat das Jugendamt 60 ehrenamtliche Asse im Ärmel. Uschi Wendt ist so eins.

Familienpatin bringt Regeln in die Familie
Foto: A. Fischer

Ostersbaum. Als Uschi Wendt die damals zweieinhalb Jahre alte Lucy das erste Mal traf, kannte das Kind die Außenwelt kaum. Die 59-Jährige erinnert sich: „Sie hatte Angst, mit den Füßen den Rasen zu berühren.“ Einmal habe sie ein paar Würmer auf dem Boden gefunden und laut aufgeschrien. Uschi Wendt ist Lucys Familienpatin. Sie unterstützt ihre Mutter Kassaye Yealmmebrat (25) seit viereinhalb Jahren ehrenamtlich bei der Erziehung, weil diese sich als geflohene Äthiopierin im fremden Land Deutschland manchmal überfordert fühlt.

Derzeit gibt es in Wuppertal 60 solcher Patenschaften. 300 wurden seit Beginn des Projekts insgesamt vermittelt. In den meisten Fällen wird Eltern mit Migrationshintergrund geholfen, manchmal unterstützen die Paten aber auch Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung nicht hundertprozentig für ihre Kinder da sein können. „Das Projekt ist in dieser Größe meines Wissens einzigartig in Deutschland“, sagt Sozialarbeiterin Manuela Salem. Das Projekt wird vom Jugendamt koordiniert. Salem selbst arbeitete beim Start 2008 am Konzept mit.

Uschi Wendt war die ideale Kandidatin für eine Patenschaft. Die 59-Jährige ist selbst Sozialpädagogin und wollte in ihrer Freizeit gerne mit Kindern zusammenarbeiten. Inzwischen hilft die erfahrene Mutter nicht nur bei der Erziehung von Lucy, die inzwischen in die Schule geht, sondern nimmt auch gerne einmal ihren Bruder, den elf Monate alten Jucias, auf den Arm. Die Kinder mögen „die Uschi“ — obwohl sie diejenige ist, die zum ersten Mal Regeln in die Familie gebracht hat. Wendt ist aufgefallen, dass Lucy nach Belieben Süßigkeiten naschen durfte. „Beim Zahnarzt wollte sie dann den Mund gar nicht öffnen“, erinnert sich Wendt. Also beschränkte die Familienpatin in Absprache mit der Mutter das Naschen auf den Nachtisch.

Wendts Idee war es auch, Lucy den kurzen Weg zur Schule alleine gehen zu lassen. Da hatte sich Yealmmebrat zunächst gesträubt. „Erstmal fiel mir das schwer“, sagt die Mutter. Doch Wendt entgegnet: „Das gibt dem Kind Selbstvertrauen.“ Und auch die Mutter sei nun nicht mehr so ängstlich wie früher. Der positive Einfluss der Wuppertalerin hat schließlich auch die Äthiopierin gestärkt. So soll das bei den Familienpaten sein. Auch die Eltern haben nämlich in vielen Fällen Probleme bei organisatorischen Aufgaben oder Behördengängen.

Uschi Wendt und Kassaye Yealmmebrat sind ein Musterfall. Es gibt auch schwierigere Patenschaften. Sozialarbeiterin Salem sagt: „Wir gehen schon manchmal an die Grenze von dem, was ehrenamtliche Kräfte leisten können.“ Daher sei es wichtig, dass das Jugendamt im Hintergrund stets seine Unterstützung anbietet. Für die Helfer könne die Arbeit manchmal frustrierend sein — gerade wenn die Paten feststellen, dass die Kinder in der Familie eigentlich hintenan stehen. „Man muss geduldig sein, es ändert sich nichts auf Knopfdruck“, sagt Salem. Bei der Auswahl achte das Jugendamt darauf, dass die Bewerber auch für die Arbeit geeignet sind. Zudem gibt es regelmäßig kostenlose Fortbildungen.

Im besten Fall wird aus der Patenschaft eine Freundschaft. So wie bei Wendt und Yealmmebrat. Daher ist ein Ende bei dieser besonderen Beziehung auch nicht in Sicht. Und dass, obwohl Uschi Wendt bereits eine zweite Patenschaft übernommen hat. Und in der Verwandtschaft von Kassaye Yealmmebrat sind die Mütter schon neidisch. Sie berichtet: „Die wollen jetzt auch alle eine Uschi.“