Gastbeitrag Gedanken zu Fronleichnam: Ist er da oder ist er es nicht?
Pastoralreferent Werner Kleine über die Unterscheide der römisch katholischen und der evangelischen Kirche beim Abendmahl.
Wuppertal. Ist er da oder ist er es nicht? Über diese Frage müssten evangelische und römisch-katholische Christen eigentlich streiten, so wie sie es über Jahrhunderte getan haben. Gerade an einem Fest wie Fronleichnam, das die römisch-katholische Kirche am Donnerstag feiert, steht nämlich weniger das im Vordergrund, was immer schon verbunden hat, sondern das, was immer noch trennt. Und es ist das Trennende, dass die unterschiedlichen Identitäten begründet.
Fronleichnam ist ein typisch römisch-katholisches Fest. Es wird am 60. Tag nach Ostern - also am 10. Tag nach Pfingsten gefeiert. Am 11. August 1264 erhob Papst Urban IV Fronleichnam zum Hochfest des Leibes und Blutes Christi, das in der ganzen römisch-katholischen Kirche gefeiert wird. Daher stammt auch der Name Fronleichnam, der sich vom Mittelhochdeutschen „vron“ (Herr) und „lichnam“ (Leib) herleitet.
Im Mittelpunkt des Festes steht die Verehrung der zu Leib und Blut Christi gewandelten Gaben von Brot und Wein. In diesen konsekrierten Gaben ist Jesus Christus bleibend gegenwärtig. Zumindest deuten römische Katholiken die Worte Jesu beim letzten Abendmahl so: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Für sie ist deshalb die Feier des Abendmahles eine Vergegenwärtigung, nicht Erinnerung, schon gar nicht Wiederholung. In der Eucharistie ereignet sich immer das Abendmahl schlechthin. Das deuten Christen der Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, anders. Lutherische Christen sehen zwar auch die Gegenwart Jesu in Brot und Wein gegeben, aber nur während des Gottesdienstes.
Für reformierte Christen hingegen ist das Abendmahl eine reine Erinnerung, bei der Brot und Wein bleiben, was sie sind. Ist er da oder ist er es nicht? Das ist also auch eine Frage des Bekenntnisses, über das es sich theologisch trefflich streiten lässt. In dieser Frage gibt es noch keine Einheit zwischen den Konfessionen. Das ist auch der Grund, warum es aus römisch-katholischer Sicht noch kein gemeinsames Abendmahl geben kann.
Der Streit prägte lange Jahrzehnte auch den Umgang mit den Fronleichnamsprozessionen, die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Festbrauchtum prägen. Luther selbst bezeichnet Fronleichnam als „allerschädlichstes Jahresfest“. Auch hier wird der Leib Christi in einer Monstranz durch die Straßen getragen. Wo aber in früheren Zeiten evangelische Christen demonstrativ ihre Wäsche nach draußen hingen, wofür sich römisch-katholische Christen am Karfreitag revanchierten, geht man heute doch geschwisterlicher miteinander um.
Vor einigen Jahren ging so in Elberfeld eine evangelische Pfarrerin mit einer Bibel vor dem Allerheiligsten — ein Aspekt, den Katholiken sicher noch tiefer verinnerlichen können: das Gott in seinem Wort ebenso gegenwärtig ist, wie Christus in den Gaben von Brot und Wein. Ist er da oder ist er es nicht? Diese Frage stellt sich also vielfältig. Und es lohnt sich, um sie zu streiten.