Gemeinsam — wenn es hilft
Das Leitbild aus der Feder des Uni-Rektors Lambert T. Koch steht in einem krassen Widerspruch zur Bergischen Realität. Die ist immer noch gekennzeichnet von Klagen zwischen Wuppertal und Remscheid wegen der Factory-Outlet-Pläne des jeweils anderen.
Sie ist davon gekennzeichnet, dass Zusammenarbeit in aller Regel nur zwischen zwei der drei Städte funktioniert und eine immer im Schmollwinkel Platz nimmt. Sie ist gekennzeichnet von einer gestörten Kommunikation zwischen den Oberbürgermeistern der Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal, vielleicht obwohl, vielleicht weil alle drei derselben SPD angehören.
Auf dieser Basis setzte sich Lambert Koch intensiv mit der Gegenwart des Bergischen Landes auseinander, um Wege in dessen Zukunft zu beschreiten. Normalerweise heißt es an so einer Stelle vor dem Hintergrund einer derzeit eher desolaten Kooperation: Das ist aller Ehren wert. Da schwingt das Scheitern dann gleich mit.
Aber diesmal wären alle Beteiligten gut beraten, vor dem desinteressierten Abwinken in sich zu gehen. Denn so ziemlich alles von dem, was Koch da schreibt, hat Hand und Fuß. Selbstverständlich hat die Region eine gemeinsame Geschichte. Sie ist geprägt von einem Unternehmergeist, der es immer wieder schaffte, Hindernisse zu überwinden. Sie ist geprägt von einem sozialen Gewissen, das zu so herausragenden Ideen wie dem Elberfelder System gegen Armut führte und zum mutigen Widerstand von Christen gegen die Nazi-Diktatur, der sich in der Barmer theologischen Erklärung niederschlug. Sie ist geprägt von Unternehmern und Künstlern, die sich zu ihren Heimatstädten bekennen, aber auf den Märkten und Bühnen der Welt zuhause sind. Auf so einer Basis sollten Wachstum und Wohlstand gedeihen. Eigentlich. Die Wahrheit ist noch eine andere.
Aus diesem Grund ist es gut, dass sich ein honoriger, über jeden Verdacht erhabener Vertreter des Bergischen Landes mit dessen Zukunft beschäftigt hat. Es ist außerdem ein Fingerzeig, dass dieser Vordenker auch noch Macher und Motor der größten Bildungseinrichtung der Region ist. Denn damit beantwortet Koch gleich die Frage danach, welcher Treibstoff der wichtigste ist, um das Bergische Land fortzuentwickeln.
Aber viele andere Zutaten, sind ebenso bedeutend, Arbeitsplätze zum Beispiel. Deshalb dürfen Innovationskraft, Mut und Sehnsucht nach Erfolg nicht mehr nur in den vielen mittelständischen Unternehmen der Region wohnen. Sie müssen auch in den Rathäusern und den Räten der Städte eine Heimat finden.
Es geht nicht darum, die eigene Identität aufzugeben. Wuppertal ist und bleibt das wirtschaftliche und kulturelle Oberzentrum des Bergischen Landes. Aber als solches kann und muss die Stadt zugleich Motor für die Region sein. Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach hat recht, wenn er außerhalb seiner Stadt nicht nur für Solingen wirbt, sondern für das Bergische Land. Denn wenn ein Unternehmen schon nicht in die Klingenstadt kommen will oder kann, dann doch besser nach Remscheid oder Wuppertal als ganz fern zu bleiben. Mit anderen Worten: Durch drei zu teilen ist grundsätz- lich besser, als gar nichts zu verteilen zu haben.