Geschichten erzählen, mit allem was der Körper bietet

Der Landesentscheid Jugend musiziert wird dieses Jahr in Wuppertal ausgetragen. Musical ist eine Kategorie im Wettbewerb.

Foto: Anna Schwartz

„Morgens um 11 Uhr singen — das ist schon eine Tat“, sagt Koordinatorin Lydia Hofmann aufmunternd zu dem jungen Mädchen, das mit ihr die Bühne betreten hat. Flora Christine Vorwerg ist 15 Jahre jung, eröffnet an diesem Freitag im Haus der Jugend Barmen in ihrer Altersgruppe die Musical-Wertung im Landesentscheid Jugend musiziert 2018. Der findet bis zum kommenden Dienstag in Wuppertal statt. Zum 55. Mal insgesamt, zum ersten Mal in der Stadt. 1096 Teilnehmer stellen sich in diesen Tagen zirka 60 Juroren. 50 Helfer sind im Einsatz, um die Stadt in einen Konzertsaal zu verwandeln.

Flora Christine hat Geburtstag, aber weder Freundin noch Eltern denken daran. Musical, das ist mehr als Singen. Musical bedeutet, mit vorgegebenen Elementen wie Text, Tanz und Liedern (aus verschiedenen Zeiten und auch in deutscher Sprache) eine Geschichte zu erzählen. Flora Christine tut dies, singt und tanzt sich den Frust von der Seele mit Liedern wie „In deiner Welt“ aus „Die Schöne und das Biest“ oder „I feel pretty“ aus der „West Side Story“. 20 Minuten hat sie Zeit. Dann folgt die Nächste: Die 14-jährige Maja Schnellenbach, die ebenfalls von Steffanie Patzke unterrichtet wird. Die Wuppertalerinnen haben erst im vergangenen Jahr mit dem Musicalsingen begonnen. Sind mächtig stolz, überhaupt in den Landeswettbewerb vorgestoßen zu sein. Zu Liedern wie „I enjoy being a girl“ aus „Flower Drum Song“ oder „In my own little corner“ aus „Cinderella“ erzählt Maja von einem jungen Mädchen, das versucht, Jungs zugefallen, ohne sich dabei selbst zu verlieren.

Musical ist erst seit einigen Jahren Wettbewerbskategorie, erfreut sich aber — nicht zuletzt dank Castingshows — zunehmender Beliebtheit, weiß Ursula Slawig von der Bergischen Musikschule. Auch Maja und Flora haben eigentlich immer gerne gesungen. Eine Lehrerin oder eine Cousine gaben den Anstoß, die Stimme zu schulen. Warum Musical? Weil sie sich die gerne anschaut, sagt Maja. Das Zusammenspiel von Tanz, Gesang und Theater fasziniert Flora. Zum Wettbewerb Jugend musiziert sind die Mädchen durch ihre Lehrerin gekommen, um Erfahrungen zu sammeln. Für die Vorbereitung wurde trainiert und mit Hilfe von Professorin Noëlle Turner von der Universität der Künste in Essen und Musicaldarstellerin Yvonne Forster ein kleines Stück geschaffen.

Ihre Lehrerin Steffanie Patzke ist selbst Sängerin (Sopran), sieht bei beiden „die von Natur aus schöne Stimme“, will sie befähigen, „mit diesem Instrument umzugehen, es zu stärken“. Sie schätzt an Maja und Flora, dass sie „wach“ sind, „wissen, was sie tun“. So entwickle sich die Stimme mit der Zeit, werde lauter und voller.

Natürlich lieben sie die Bühne. Die „Aufregung schwindet spätestens nach den ersten Liedern“, erzählt Maja. Obwohl „man immer irgendetwas vergisst“, sagt Flora lächelnd. Die Jury an diesem Freitag — bestehend aus geschulten Musikern — lässt es sich jedenfalls nicht anmerken. Sie muss auf das schlüssige und zur Person passende Gesamtkonzept, die Performance achten, die „Geschichte, die mit allem erzählt wird, was der Körper bietet“, erklärt Lydia Hofmann.

Wichtig seien die Vorbereitung, die gemachten Erfahrungen. Da ist es fast egal, ob man weiterkommt. „Wir haben auf dem Weg hierhin viel gelernt“, sagt Flora. Ob sie bei dem nächsten Musical-Entscheid von Jugend musiziert wieder antreten, wissen beide nicht — das ist ja erst in drei Jahren.