Adventsserie: „Menschen aus Wuppertal“ Blumensträuße à la Gudrun Balewski: Ihr Blumengeschäft ist eine Institution in Küllenhahn

Wuppertal · Die Floristin Gudrun Balewski verkaufte schon mit sechs Jahren ihren ersten Adventskranz – in Küllenhahn ist die 69-Jährige eine Institution.

Verkauft wird, was zur Jahreszeit passt. Gerade sind es viele Wachsrosen, die die Küllenhahnerin Gudrun Balewski selbst fertigt.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Es gibt Menschen, die sprechen von Berufung, wenn sie ihren Beruf meinen. Andere arbeiten, um leben zu können. Es gibt den Trend zur Work-Life-Balance – und es gibt Gudrun Balewski, die lebt, um zu arbeiten, weil das Blumen- und Kränzebinden ihr Leben ist. Die schlagfertige Frau mit dem Kurzhaarschnitt und den festen Vorstellungen vom Leben und dem, was sich im Advent gehört und was nicht, ist eine Institution in Küllenhahn. Als Mensch, Mitbürgerin, Geschäftsfrau. Sie bedient Gebinde-Wünsche treffsicher, egal wie genau sie ausgesprochen werden. Die Kunden vertrauen ihr und kommen wieder – zum Blumenkauf, und zum mal mehr, mal weniger ausgiebigen Schwätzchen. Seit bald 30 Jahren an der schmalen Küllenhahner Straße, wo Gudrun Balewski ihren Laden hat.

Acht Wochen, nachdem sie zur Welt gekommen war, geriet ihr Leben gleich durcheinander. Der Vater starb und hinterließ seine Frau mit Baby und dem erst 22 Monate alten Bruder Bernd. Das war Ende 1954. Zeit zum Trauern war nicht. Die Mutter gründete im Jahr darauf einen Blumenladen. „Ich wuchs mit Tannengrün, Kerzen und Glimmer in der Küche auf“, erzählt die heute 69-jährige Gudrun Balewski. Mit sechs Jahren verkaufte sie ihren ersten Adventskranz. Wenn es auf Totensonntag zuging, wurden sie und der große Bruder krankgeschrieben, schließlich gab es alle Hände voll zu binden.

Dass Bernd wiederum ein Faible für Bagger hatte, die sich in den Aufbaujahren nach dem Krieg auch auf den zahlreichen Baustellen Küllenhahns austobten, führte nicht nur dazu, dass er selbst später Landschaftsgestalter wurde. Es brachte auch die kleine Schwester in Nöte. Ihre Versuche, ihn pünktlich zur Volksschule zu bringen, endeten damit, dass auch sie viel zu spät kam. Nach der Schule stand schon früh fest, dass Gudrun Balewski Blumenbinderin werden würde. Ausgebildet wurde sie in der Praxis zuerst bei ihrer Mutter Johanna Wesselina, später auch zusammen mit Bernd. Den Umzug des Geschäfts von der besonders im Winter schwierig zugänglichen Rutenbeck an die Küllenhahner Straße gab noch die Mutter vor, die die ehemalige Schmiede, in der zuletzt eine Lackiererei gewesen war, kaufen wollte. Doch sie wurde krank, starb 1990, die Geschwister übernahmen – selbstverständlich. Sie übernahmen auch den Um- und Anbau, der zum 40. Geburtstag von Gudrun Balewski 1994 fertig werden sollte. Wurde er aber nicht. Also lieh sich die resolute Geschäftsfrau 21 Tische in der Gemeinde aus, stellte sie in den unfertigen Laden und lud zu ihrer ersten Adventsausstellung ein. „Ich bin ja schnell in allem, auch mit der Schnute“, sagt sie und lacht. Viele weitere Ausstellungen folgten, bis heute. Geworben wird nicht, sonst lässt sich der Andrang nicht bewältigen. Die Besucher verteilen sich auf 70 bis 75 Quadratmeter Ladenfläche. Hinzu kommen 50 Quadratmeter Binderei, Park- und Abstellplätze und Platz für die Landschaftsgestaltung, sodass der Betrieb insgesamt 500 Quadratmeter umfasst. Immer Ende November, und immer nach Totensonntag, vorher schickt sich nicht. Weihnachten im Oktober zu feiern, bringe alles durcheinander und nachher sei man es leid, sagt die wortgewaltige Frau.

Auch ohne offizielle Eröffnung nahm das Blumengeschäft seinen Fortgang, veränderte sich. Trends kamen und gingen. Die Pflanzen wurden vielfältiger und resistenter, Schleierkraut blieb. Heute wird es meist rosa eingefärbt. Die Beerdigungen waren und sind festes Standbein, die Adventszeit finanziell das wichtigste. Da holt sich Gudrun Balewski auch Unterstützung, sonst wirbelt sie meist allein durchs Geschäft. „Wir haben immer irgendetwas gemacht. In der Finanzkrise 2008 lief es nicht rund. Aber das ist lange her. Wer will das hier schon übernehmen? Das endet mit uns“, sagt sie und fügt nach einer kleinen Pause an: „Oder kommt ins Museum.“

Trends sind nicht ihre Sache, auf Stand ist sie gleichwohl: Früher wurde die Floristik aus Städten wie Düsseldorf, München oder Köln inspiriert, heute von Pinterest.

Früher stellten andere Läden die Konkurrenz dar, dann eröffnete Obi an der Steinbeck, damals, als dort nur ein Bahnhof war und sich niemand vorstellen konnte, dass da mal ein Einkaufszentrum entstehen würde. Viele kleine Blumenläden wurden mittlerweile von den großen Gartenmärkten verdrängt. Dennoch „schiele ich nicht zu Hornbach, ich lasse mich nicht verbiegen.“

Bei Gudrun Balewski bringen noch heute zwei Zulieferer die Deko, ein Blumengroßhändler drückt sich einmal in der Woche durch die schmale Einbahnstraße. Verkauft wird, was zur Jahreszeit passt. Gerade sind es viele Wachsrosen, die die Geschäftsfrau selbst fertigt. Im Advent immer Rot, natürlich. Christrosen, Amaryllis. Aber Tulpen? Ein paar Freesien mit etwas Beiwerk? Nur, wenn die ausdrücklich gewünscht werden.

Die Kunden kommen, weil sie wissen, dass es hier Sträuße gibt, die es andernorts nicht gibt. „À la Gudrun eben – charmant, krösig und kreativ. Die Leute überlassen mir das und gehen glücklich aus dem Laden.“ Die Frauen vielleicht etwas glücklicher, weil Gudrun Balewskis Welt ihr Herz höher schlagen lässt. Eine auf den ersten Blick unübersichtliche, kleinteilige Welt, in der sich wohl nur eine Person auskennt. Mit Blumen und Topfpflanzen ja, vor allem aber mit unzähligen, schönen und „zweckfreien“ Dingen, die – von der Vase bis zum Steinengel, vom Schal bis zum Kaffee, vom gemalten Bild bis zum Porzellan – in alten Schränken, auf unterschiedlichen Tischen, deckenhohen Regalen warten und entdeckt werden wollen. „Kauf mich“ rufen. Zwischendrin Hund Donna Klara: Die 13-einhalbjährige Chihuahua-Dame liegt auf einer warmen Decke im Schaufenster als gehöre sie zur Dekoration. „Die Frauen können sich nicht satt sehen, die Männer stehen eher unbeteiligt daneben“, lautet der trockene Kommentar der überzeugten Küllenhahnerin, die seit 1985 im Bürgerverein mitwirkt. Im selben Jahr mit ihrer Mutter, Peter Oskar Christians und ihrem Bruder 1985 den Bildband „För Schwatte, Witte ohn Küllenhahner“ herausgab, weil die Schule Küllenhahn 100-Jähriges feierte.

Zwar schätzt sie vor allem Frühlingsblüher (Veilchen, Maiglöckchen) sowie Neuzüchtungen mit kaputten, also mit Mischfarben. In besonderer Erinnerung geblieben ist ihr aber ein Kranz, den sie aus Weihnachtssternen und weißen Euphorbien Ende 1994 fertigte. Der zur Beerdigung ihrer Mutter am 6. Dezember 1990. Einen Kranz von der Familie sollte es nur geben, doch sie wurde bedrängt, für andere Trauernde zu binden. „Deine Mutter hätte bestimmt nicht gewollt, dass wir unsere Kränze woanders binden lassen“, hätten die Leute gesagt. Also investierte sie das zugesteckte Geld in Weihnachtssterne, die sie um den Sarg mit ihrem Kranz stellen wollte.

Hat man bei so vielen Kränzen überhaupt noch einen eigenen Adventskranz? „Eigentlich reichen eine dicke Kerze, Zapfen und etwas Grün“, erzählt sie und schließt, fast ohne Luft zu holen, die Geschichte eines ganz alten Gebindes an. Das sie fertigte, als es noch keine Klebepistole gab, ohne die es heute nicht mehr geht. Einen Kranz, den sie für eine Kundin band, der jedes Jahr wieder aufgefrischt wurde und nach deren Tod an sie überging. Den sie nun auch wieder herrichtet. Und jeden Tag im Advent wird sie die Wohnung etwas mehr dekorieren.