Hardt: Der erste Volkspark der Stadt

Die Hardt-Anlagen boten Arbeitern aus dem Tal einen Rückzugsort. Der Grünstreifen wandelte sich in 200 Jahren immer wieder.

Foto: Mathias Kehren

Hardt. Vom 21 Meter hohen Elisenturm aus liegt dem Betrachter Wuppertal zu Füßen. „Die Stadt hat ja viele historische Türme, aber ich mag diesen besonders gerne, weil er mitten drin liegt“, sagt Andreas Schmiedecke. Der ehemalige Grünflächen-Ressortleiter ist ein Experte für die Hardt-Anlagen, die sich vor ihm erstrecken und hinter denen sich Elberfeld durch das Tal schlängelt. Vor allem in der Geschichte des Parks, der als einer der ersten Volksgärten Deutschlands gilt, ist er bewandert.

Foto: Stefan Fries

Ursprünglich war die Hardt — der Name bedeutet Bergwald — eine kahle Ziegenwiese auf der gelegentlich auch Gesetzlose gehängt und beerdigt wurden. Als Elberfeld Anfang des 19. Jahrhunderts den Hügel aufforstete, hatte der Elberfelder Arzt Johann Stephan Anton Diemel die Idee, eine Fläche gärtnerisch zu gestalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese „alte Hardt“ ist heute, nach mehreren Erweiterungen verschwunden. „Die Anlage befand sich dort, wo heute die Waldbühne und der Spielplatz liegen“, lokalisiert Schmiedecke das Areal, das nur einem Fünftel der heutigen 25 Hektar großen Parkfläche entsprach.

Waren Gartenanlagen früher an ästhetischen Kriterien orientierte Lusträume für die adelige Gesellschaft, so nahm sich der Volksgarten plötzlich mehr die natürliche Landschaft zum Vorbild und richtete sich an die Freizeitbedürfnisse der einfachen Bürger. Schmiedecke zeichnet ein Bild von der damaligen Zeit im Tal: „Es gab viel Elend: Die Stadt war verraucht, die hygienischen Bedingungen schlecht und die Menschen hatten mit Hochwasser der Wupper zu kämpfen.“ Auf einmal wurde auch den Arbeitern ein öffentlicher Raum zur freien Entfaltung auf dem Berg geschaffen. „Dort oben hatten die Menschen plötzlich frische Luft.“

Der polnische Immigrant Michael Sokomicki beschrieb 1810 im ersten Hardt-Jahr die Anlage voller Begeisterung: „Man hat dort kunstvoll mehrere Rundwege angelegt, damit sich hier an den Sonntagen jene zahlreichen Grüppchen von ehrbaren und arbeitsamen Familien treffen können, die herkommen, um den Anblick des von ihnen selbst geschaffenen Werkes zu genießen.“

1881 entfaltete sich die neue Hardt, geplant von Gartenarchitekt Heinrich Siesmeyer. Zwei Jahre zuvor hatte die Stadtverwaltung von Freunden der Hardt 30 000 Mark geschenkt bekommen, um die angrenzenden Grundstücke ebenfalls zu einer öffentlichen Anlage auszubauen. Der Botanische Garten, ursprünglich als Schulgarten konzipiert, befindet sich seit 1910 am Südhang unterhalb der Villa Eller und des Elisenturms, in dem die Wuppertaler heute heiraten.

Der Zweite Weltkrieg wird zur Zäsur — auch für die Hardt. „Die Anlagen wurden schwer zerbombt“, weiß Schmiedecke. Die Alliierten zerstören auch das „Bergische Haus“, in dessen Biergarten sich früher die Bürger trafen und das nie wieder aufgebaut wurde. Nach dem Krieg wird auf der Hardt zunächst nicht aus ästhetischen Gründen gegärtnert, sondern um zu überleben. Zierpflanzen weichen nahrhaftem Gemüse, das den Hunger in den zerbombten Städten stillen soll. Erst 1954, anlässlich des 25-jährigen Wuppertaler Stadtjubiläums, wird der Park wieder den Bürgern übergeben. Damals unter dem Titel „Blühende Hardt“. Blumenfreunde dürfen neidisch auf die Fotos von damals blicken, die eine üppig bepflanzte Anlage zeigen. „Das ist heute aus finanziellen Gründen gar nicht mehr in dieser Form möglich“, macht Schmiedecke deutlich.

Als jüngste Ergänzung bereichern seit 2007 die Schau- und Gewächshäuser die Parkanlage und verbinden den Ost- und Westteil besser miteinander. Den Plan hatte bereits 1900 der Stadtgärtner Ruprecht — aber gute Dinge dauern eben manchmal etwas länger. Nicht ganz unschuldig an der Verwirklichungen waren die Fördergelder aus dem Freiraumprogramm der Regionale 2006 und der Fördervereins der Parkanlage. Würde der Elberfelder Arzt Diemel heute, mehr als 200 Jahre nach seiner Vision, an einem sommerlichen Sonntag die vielen Menschen auf den Wiesen liegen sehen — er wäre wohl stolz auf seinen Volksgarten.