Hartz IV: 600 Mal pro Monat wird in Wuppertal gekürzt
Wer Termine verpasst oder Jobs ablehnt, muss mit Kürzungen von bis zu 60Prozent rechnen.
Wuppertal. Guido Westerwelle spricht von "anstrengunslosem Wohlstand" und "spätrömischer Dekadenz" und löst mit seiner Wortwahl eine Welle der Empörung aus. Inhaltlich aber, das zeigen Umfragen, stimmen mehr als 40 Prozent der Deutschen den Aussagen zu. Doch sind unter den Hartz-IV-Empfänger tatsächlich so viele "Sozial-Schmarotzer"? Der Chef der Wuppertaler Arge, Thomas Lenz, ist sich sicher: "Der überwiegende Teil der Empfänger in Wuppertal bezieht die Leistungen korrekt und tut auch alles, um aus dieser Leistung wieder herauszukommen."
Ein Blick in die Statistik zeigt, vieles ist nicht so, wie es scheint: Von den 45 408 Personen, die in Wuppertal Hartz-IV-Leistungen beziehen, sind rund 27 Prozent gar nicht arbeitslos - sondern Kinder unter 15 Jahren. In absoluten Zahlen heißt das: 32 935 Hartz-IV-Empfänger sind arbeitsfähig, 6786 von ihnen gehen sogar einer Arbeit nach - das Einkommen reicht für den Lebensunterhalt allerdings nicht aus.
Bleiben also noch 26 815 Menschen, die dauerhaft keinen Job haben. Was sind das für Menschen? Darüber sagen die Zahlen wenig aus. Aber sie zeigen: Knapp 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind zwischen 25 und 49 Jahre. 20 Prozent sind unter 25 Jahre.
Fördern und Fordern - so lautet das Motto, das sich die Argen bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen auf die Fahnen geschrieben haben. "Besonders bei jungen Menschen wollen wir auch fordern", sagt Andreas Kletzander, Sprecher der Wuppertaler Arge. Wer nicht darauf eingeht, muss damit rechnen, dass die Bezüge gekürzt werden. In Wuppertal werden im Schnitt 600 Personen im Monat - die meisten männlich und zwischen 25 und 49 Jahre alt - mit einer solchen Sanktion belegt. Bis zu 60 Prozent können die Leistungen gekürzt werden, sind die Betroffenen unter 25 droht gar der komplette Entzug.
Die Gründe für die Kürzungen sind in weit mehr als der Hälfte aller Fälle verpasste Termine. In nur acht Prozent der Fälle wurde eine zumutbare Arbeit abgelehnt.
Doch die Mittel der Arge reichen noch weiter: Vier Mitarbeiter besuchen besonders hartnäckige Fälle auch zu Hause. Und dabei geht es nicht nur um Kontrolle. Andreas Kletzander: "Es geht auch um Hilfestellung - darum zu klären, ob ein Suchtproblem oder möglicherweise eine psychische Erkrankung vorliegt." Dennoch entdecken die Mitarbeiter auf diesem Wege auch immer wieder schwarze Schafe. "Monatlich werden rund 100 Zahlungen eingestellt, weil vor Ort festgestellt wurde, dass Hartz-IV-Empfänger falsche Angaben gemacht haben", sagt Kletzander.
Das ist Betrug, der auch zur Anzeige gebracht wird. 2009 landeten 69 Fälle bei der Staatsanwaltschaft. Da werden falsche Angaben zum Vermögen gemacht oder Unterhaltszahlungen für Kinder verschwiegen. Auch Schwarzarbeit ist keine Seltenheit. 348 Fälle wurden ans Hauptzollamt weitergeleitet.