Heroin-Ersatz: Wann gibt es in Wuppertal Diamorphin?
Das Modell soll Schwerstabhängige aus der Illegalität in die Normalität bringen. Aber die Hürden sind hoch.
Wuppertal. Die Zahl stimmt traurig: Sieben Männer starben in diesem Jahr in Wuppertal an den Folgen ihrer Drogensucht. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2009 gab es zehn Drogentote. Alle Opfer sind 30 Jahre oder älter. Altjunkies, werden sie in der Szene genannt.
Am Mittwoch gab es auch für sie einen Gottesdienst und Live-Musik auf der Alten Freiheit in Elberfeld. Wie jedes Jahr hatte die Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik zum Gedenktag eingeladen. Doch die Veranstalter schauen in die Zukunft, und die trägt den Namen Diamorphin.
Dieses Mittel wurde in Pilotprojekten unter anderem in Frankfurt am Main, Köln und Bonn an Schwerstabhängige abgegeben - ähnlich wie Methadon als Substitut für Heroin von der Straße. Die Formel ist klar: Wer seine Sucht kontrolliert, stabilisiert sich und seine soziale Situation. Salopp formuliert: Kontrollierte Junkies sind auf lange Sicht deutlich billiger, als Abhängige, die reihenweise Autos knacken, um Geld für Heroin zu beschaffen.
Schon im vergangenen Jahr hatte Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) gesagt, dass man sich für die Umsetzung des Diamorphin-Modells in Wuppertal bewerben werde. Mittlerweile gibt es ein Bundesgesetz, dass die im Kern von den Krankenkassen finanzierte Diamorphin-Abgabe regelt.
Doch an die Umsetzung in Wuppertal ist vor 2011 nicht zu denken. So hat das Landeskriminalamt (LKA) im Mai den Sicherheitskatalog für die Diamorphin-Abgabe zusammengestellt. Kritiker nennen die Aufstellung ein Diamorphin-Verhinderungspapier.
An die Abgabe des Subtitutionsstoffs würden Auflagen wie in einer Bank verlangt. Fakt ist: Für die Umsetzung des Diamorphin-Modells müsste das Mittel in größeren Mengen vor Ort gelagert werden. Für einen Stoff, der unters Betäubungsmittelgesetz fällt und somit durchaus einen nennenswerten Schwarzmarktpreis hat, ist das durchaus heikel.
Die LKA-Experten verlangen entsprechend für die Lagerung einen Panzerschrank, videoüberwachte Ein- und Ausgangskontrollen, Einbruchs- und Durchbruch-sichere Fenster sowie eine Alarmanlage die direkt mit der Polizei verbunden ist.
Alles Voraussetzungen, die im "Gleis 1", der zentralen Wuppertaler Anlaufstelle für Abhängige, nicht gegeben sind. Geschätzter Kostenpunkt für einen etwaigen Gleis-1-Umbau à la LKA: 100000Euro. Allerdings ist noch gar nicht klar, ob ein Umbau überhaupt Sinn machen würde (siehe Kasten oben).
Das Gesetz sieht ebenfalls vor, dass Diamorphin-Konsumenten eine psychosoziale Betreuung erhalten müssen. Die Kosten - etwa 60000 Euro pro Jahr - müsste in Teilen die Stadt bezahlen. "Das sind hohe Hürden", konstatiert Uwe Temme, Leiter des Wuppertaler Sozialressorts, gibt sich aber kämpferisch, zumal das Diamorphin-Modell von vielen Seiten gelobt wird.
Unter anderem gibt es Unterstützung von den 23 Substitutionsärzten in Wuppertal und von der Suchtklinik in Langenberg. Das Prinzip ist klar: Die Auflagen für Diamorphin-Kunden sind zwar streng (siehe Kasten), aber genau das hat die erwünschten "Nebenwirkungen" bei den Abhängigen: ein geregeltes, gesünderes und straffreies Leben. Temme: "Vor allem die älteren Abhängigen spüren die Sehnsucht nach Normalität."