In dieser Kneipe wird Wissensdurst gestillt
Die Räume des Wirtschaftswunders gibt es seit mehr als 100 Jahren. Der Name der Gaststätte, in der es Quizabende gibt, wechselte häufig.
Nordstadt. Die Tür zum Gastraum öffnet sich, Bettina Fitzek tritt ein. „Puh, ist das kalt draußen.“ Gastwirt Thorsten Just fragt: „Soll ich dir einen Tee machen?“ Ohne zu Warten setzt er heißes Wasser auf und holt ein Kästchen mit Pfefferminzblättern heraus, füllt sie in ein Glas und reicht dazu eine Flasche mit flüssigem Honig. Eine Szene, typisch für die Kult-Kneipe „Wirtschaftswunder“ an der Wiesenstraße, die in Insiderkreisen auch das „Wohnzimmer der Nordstadt“ genannt wird. 35 Jahre wird die Gaststätte am 1. März alt, in der Wirt Thorsten Just seine Gäste kennt und schätzt. Und das beruht auf Gegenseitigkeit.
Das Haus an der Wiesenstraße 17 ist mehr als 100 Jahre alt und war von Anfang an mit Gaststätte im Untergeschoss geplant. Die hieß erst „Restauration Vogelsau“, später „Nordstern“ und seit 1983 „Wirtschaftswunder“. Das war zu dieser Zeit, als Helmut Kohls Kanzlerschaft begann, eher ironisch gemeint. Herrschte durch die hohe Arbeitslosigkeit doch alles andere als Wirtschaftswunderstimmung, wie einst zu Beginn der 1950er Jahre. Trotzdem hat man Ludwig Erhard, dem Vater des Wirtschaftswunders und Wirtschaftsminister im Kabinett Adenauers, ein Andenken bewahrt. Das Porträt des späteren Bundeskanzlers ziert in doppelter Ausführung eine Nische, in der bei Feiern das Büfett aufgebaut wird.
Thorsten Just, Inhaber
„Ludwigs Erben“ nennt sich auch ein Sparverein, der sich, nachdem Thorsten Just einen alten Sparschrank im Keller gefunden hat, etwas zurücklegt, um dann kurz vor Weihachten über zusätzliches Kapital verfügen zu können.
Man kann aber auch etwas gewinnen. Nämlich jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat, wenn die grauen Zellen beim „Pub-Quiz“ gefordert sind. „Dann machen meist 75 Gäste mit, zahlen drei Euro Einsatz und die Summe kommt in den „Jackpot“. Die drei klügsten Köpfe, die bei Allgemeinwissen, Musik und Bilderrätsel am besten abgeschnitten haben, werden prämiert.
Zur Feier der dreieinhalb Jahrzehnte werden verstärkt Musikgruppen auf der kleinen Bühne auftreten. Schon am 17. Februar lassen es die irischen Folkbands „Kulkenna Basterds“ und „The Scarlett Scallywags“ krachen.
Familiäre Atmosphäre mit jungen und jung gebliebenen Stammgästen aus allen sozialen Schichten, die erreicht man am besten, wenn man auch außerhalb der Öffnungszeiten (ab 17 Uhr) gemeinsam etwas unternimmt. Und da hat Thorsten Just mit seinen Getreuen Besonderes aufzuweisen: „Wir haben mit einem halben Dutzend am Tough-Mudder-Wettbewerb teilgenommen, dem härtesten in Arnsberg, wo auf 18 Kilometern Länge 22 Hindernisse zu überwinden waren“, erzählt der Wirt schmunzelnd. „Tough Mudder“ ist ein Wettbewerb, bei dem Sportler Hindernisse überwinden. Auch eine 100-Kilometer-Wanderung stand schon auf dem Programm des Wirtschaftswunders. „21 Stunden und 47 Minuten haben wir gebraucht.“ Das Wirtschaftswunder ist aber dennoch kein Treffpunkt von verhinderten „Iron Men“. Bier, andere Alkoholika und Alkoholfreies werden nämlich auch getrunken und Frikadellen oder Thorstens Eintöpfe genossen, so wie in normalen Kneipen auch. Und bei gutem Wetter wird im Biergarten gegrillt. Fassungsvermögen des „Wirtschaftswunders“? Just: „So bei 120 ist es dann richtig kuschelig, bei 130 Gästen lässt sich Körperkontakt nicht ganz vermeiden.“