Inklusion „Da hängt mehr dran, als die Tür aufzuhalten“
Unter den rund 46 000 Wuppertaler Schülern gibt es 2533 mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Das Thema Inklusion wird in Medien und an Schulen viel diskutiert, seitdem das Schulministerium den Weg in die Regelschulen geebnet hat. Dabei geht es um sehr unterschiedliche Kinder: Die einen haben körperliche Einschränkungen, sitzen im Rollstuhl oder können nur wenig sehen. Andere haben geistige Behinderungen oder benötigen eine emotional-soziale Förderung. Viele Schulen klagen über zu wenig Geld für Sozialpädagogen oder Schulbegleiter, um diese Schüler adäquat zu unterstützen. 2533 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind unter den gut 46 000 Wuppertaler Schülern.
„Wir erleben einen häufigen Kampf mit den Kostenträgern“, erzählt Daniela Krogmann vom Verein „Mitmenschen“ für Menschen mit Behinderung. Dann gehe es um Fragen, wie viele Stunden Unterstützung so ein Kind benötige und ob nicht die anderen Kinder der Klasse diese übernehmen könnten, etwa einen Schüler im Rollstuhl in andere Räume schieben. „Aber da hängt ja mehr dran, als nur die Tür aufzuhalten“, ärgert sich die Expertin. „Die Schüler sollen ja in der Lage sein, selbständig am Unterricht teilzunehmen.“ Von Toilettengängen ganz zu schweigen.
Nicht immer werde diese Diskussion mit großer Sachkenntnis geführt. „Mir hat auch schon einmal ein Sachbearbeiter gesagt, dass sich das Down-Syndrom vielleicht auswächst“, so Daniela Krogmann. Selbst Mediziner, so berichtet sie, äußerten ihr gegenüber die Ansicht, dass ein ruhiges schwerst mehrfach behindertes Kind in der Klasse in die Ecke gestellt werden könne, da es nicht stören würde. Manche Kinder erhalten eine Eins-zu-eins-Betreuung über mehrere Stunden des Schultags, andere nur im Sportunterricht, in manchen Klassen betreut ein Helfer zwei oder drei Kinder gleichzeitig.
Verhältnis zwischen Kind
und Helfer entwickelt
Gerade bei Kindern mit emotionalen und sozialen Problemen sei ein Begleiter dringend nötig, um einen Zugang zur Gruppe zu finden. „Das ist ein hoher pädagogischer Anspruch.“ Die Integrationshelfer geben dem Schüler Halt in einer schwierigen Situation. Dazu müsse sich das Verhältnis zwischen dem Integrationshelfer und dem Kind oder Jugendlichen langsam entwickeln. Kurzfristige Förderzusagen und häufige Wechsel seien kontraproduktiv, sagt Daniela Krogmann: „Besser ist es, anfangs zu unterstützen und dann die Förderung zu reduzieren statt umgekehrt.“ Bei den Kostenträgern hingegen herrsche oft die Meinung vor, es erst einmal ohne zu probieren. Erst, wenn sich die Probleme hochschaukeln, genehmigen sie Förderstunden. Dass sich in der Gruppe dann feste Strukturen und Vorurteile gebildet haben, spielt keine Rolle.
Ulrike Gehrken, Fachbereichsleiterin Inklusions-Assistenz des Vereins „Behindert – na und?“, sieht die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern kooperativ. Bei manchen Fällen werde kontrovers diskutiert, andere werden direkt bewilligt. Die Integration an Regelschulen sei eine oft schwierige Pionierarbeit angesichts von Lehrermangel und fehlenden Fortbildungen. „Aber es gibt grandiose Erfolgsgeschichten, bei denen sich die Schüler toll entwickeln und Abschlüsse machen“, betont sie. Das dürfe man bei allen bitteren und schwierigen Erfahrungen nicht vergessen. Und auch die Eltern der anderen Schüler einer Klasse möchte sie ermutigen: „Der Klassenzusammenhalt in einer inklusiven Klasse ist häufig viel stärker als sonst und die Kinder lernen sozial sehr viel.“
Eine große Erleichterung bedeutet in Wuppertal der Fachdienst Inklusion, der vor drei Jahren geschaffen wurde. Dort gibt es keine Trennung mehr zwischen Jugendamt und Sozialamt, alle Entscheidungen werden an einem Ort getroffen. Gerade für Eltern mit geringen Deutsch-Kenntnissen oder überforderte Alleinerziehende ist das von Vorteil.