Interview: Neuer Schauspiel-Intendant will Wuppertal wachküssen
Interview: Christian von Treskow, ab der Saison 2009/10 Chef des Wuppertaler Sprechtheaters, spricht über seine (Spiel-)Pläne.
Wuppertal. Herr von Treskow, Sie haben gerade im Theater Bremen Premiere gefeiert. Dort setzen Sie Ödön von Horváths Stück "Zur schönen Aussicht" in Szene. Auch in Wuppertal haben Sie schöne Aussichten: Zur Saison 2009/10 werden Sie Schauspiel-Intendant. Welche Erwartungen und Hoffnungen haben Sie?
Christian von Treskow: Wuppertal ist eine unglaublich spannende Stadt und alles andere als alltäglich. Wuppertal ist besonders - wegen seiner geografischen Lage, wegen der Mischung der Bevölkerung, wegen seiner Geschichte. Die alte Industriestadt sucht eine neue Identität. Wuppertal liegt noch ein bisschen im Dornröschenschlaf, aber ich denke, dass Theater kann dazu beitragen, es wachzuküssen.
Von Treskow: Es ist wichtig, dass in der Stadt mehr miteinander kommuniziert wird. Die Stadt ist ja extrem langgezogen. Wuppertal braucht ein Zentrum. Das Theater ist ein wichtiger Standortfaktor, ein Anlaufpunkt. Es soll ein Ort der Kommunikation werden.
Von Treskow: Wir wollen ein Forum bieten - für konstruktiven Streit, für Bildung, für Auseinandersetzung. Aber natürlich soll auch immer Spaß dabei sein.
Von Treskow: Ich habe einen Vorvertrag und bereite zurzeit die Intendanz vor - in enger Zusammenarbeit mit Johannes Weigand, der ja die Opernsparte übernimmt. Dabei muss natürlich jeder von uns eigene Schwerpunkte setzen.
Von Treskow: Ja, wir werden dann drei Jahre zu Gast in der Oper sein. Das bedeutet eine große Umstellung.
Von Treskow: Die Bedingungen für das Schauspiel sind in der Oper denkbar ungünstig. Es gibt akustische Unterschiede, schwierig wird es auch durch die Architektur. Es gibt beispielsweise eine große Vorbühne, dabei brauchen gerade Schauspieler die Nähe zum Publikum. Für diese Probleme werden wir Lösungen zu finden haben.
Von Treskow: Ja, ich bin sehr froh, dass ich eine Oper inszenieren darf. So kann ich das Haus kennen lernen. Die Arbeit im Musiktheater ist natürlich anders als im Sprechtheater. Die Musik gibt eine Struktur vor, die mit Inhalten gefüllt werden will. Gerade bei der "Zauberflöte" ist das nicht einfach.
Von Treskow: Es wird mit Sicherheit keine folkloristische Inszenierung werden - aber auch keinen Regie-Hammer geben. Wir werden versuchen, die Geschichte über die Figuren und die Musik zu erschließen.
Von Treskow: Ich werde auf jeden Fall weiterkämpfen. Dass er das Thema nie hat einschlafen lassen, ist ein großes Verdienst von Herrn Kuck (Anmerkung der Redaktion: Gerd Leo Kuck ist noch bis zum Ende dieser Spielzeit Generalintendant der Wuppertaler Bühnen). Auch für mich ist es ein zentraler Punkt. Fakt ist: Die Fraktionen haben mir eine kleine Spielstätte versprochen.
Von Treskow: Das, was jetzt im Foyer des Schauspielhauses stattfindet, geht in der Oper nicht mehr. Das Foyer dort kann nicht bespielt werden. Zurzeit gibt es zwar zweckentfremdete Spielorte wie die Citykirche in Elberfeld, aber die Zerstreuung in der Stadt ist logistisch ungünstig. Technik und Dekoration müssen hin- und hergefahren werden. Das kostet Zeit und Geld. Wir brauchen einen Raum, der permanent bespielt werden kann, in dem man die Dekorationen stehen lassen kann. Wenn es keine feste Ausweich-Spielstätte gibt, ist das kein haltbarer Zustand. Dann sind die Wuppertaler Bühnen substanziell gefährdet.
Von Treskow: Ja. Wer das Geld hat, hat die Macht. So platt es auch klingt. Die Hauptfigur, Hoteldirektor Strasser, steht zwischen zwei Frauen und tendiert naturgemäß immer zu der Seite, die gerade das Geld zu haben scheint.
Von Treskow: Ich denke, es gab das große Missverständnis, dass das Stück als Komödie angekündigt wurde. Als ich in der Premiere saß, war ich über die Wirkung verstört. Es gab viele Lacher im Publikum - selbst dann, als eine Figur vergewaltigt wird und um Hilfe ruft. Das hat mich sehr bewegt. Offensichtlich gibt es bei den Zuschauern das Bedürfnis, dass man damit nur mit einem Lachen umgehen kann. Aber die Leute mögen die Produktion.
Von Treskow: Ja. Er ist ein Autor, der mich schon lange interessiert hat - aber auch ein sehr schwieriger Autor. Jeder Satz ist eine Gratwanderung und braucht einen genauen Untertext. Horváth verlangt eine stilisierte Spielweise, gleichzeitig muss man sich sehr in die Figuren hineinfühlen. Wählt man ein zu starkes Regie-Konzept, kommen die Figuren zu kurz. Man darf aber auch nicht zu psychologisch herangehen. Ich habe versucht, beiden Seiten gerecht zu werden.
Von Treskow: Horváth ist einer der großen psychologischen Autoren und bestimmt ein Autor, der irgendwann auf dem Spielplan stehen wird. In den fünf Jahren, in denen ich da bin, werde ich mir das auf jeden Fall vornehmen. Andererseits sind Horváth und vielleicht auch Tchechow Autoren, die man erst in einer zweiten oder dritten Spielzeit bringen sollte.
Von Treskow: Nein, es soll ja spannend bleiben...