Interview zum Drei-Kaiser-Denkmal: „Wir wollen die Restaurierung“
Der Verein Applaus setzt sich im Auftrag der russischen Regierung für das Denkmal ein. Geschäftsführerin Liudmilla Gutina erklärt die Hintergründe.
Frau Gutina, als das Drei-Kaiser-Denkmal in seiner heutigen Form im Jahr 2000 präsentierte wurde, löste das in Wuppertal viel Begeisterung aus. Was stört Sie an dem Denkmal? Finden Sie es nicht schön — oder beeindruckend?
Liudmilla Gutina: Von Schönheit kann aktuell keine Rede sein. Der Eindruck, den das Denkmal jetzt ausstrahlt, ist der von Vernachlässigung. Es war nicht richtig, nur die Säule des preußischen Königs zu restaurieren. Wenn eine, dann die gemeinsame, die für die Bedeutung des Denkmals steht. Ein Denkmal ist ein Ganzes und als Ganzes zu betrachten. Deswegen tretten wir mittlerweile für die Restaurierung des kompletten Denkmals ein.
Warum sind Sie dafür, das Denkmal wieder in seinen Zustand von 1817 zu versetzen?
Gutina: Weil das Denkmal für sich nahezu einzigartig ist — das gibt es sonst nur einmal in Europa. Es steht dafür, das unsere Völker vor 200 Jahren zusammen gegen einen gemeinsamen Feind erfolgreich vorgegangen sind und ihn besiegt haben. An dieser Freundschaft hätte man festhalten sollen, anstatt im Ersten und im Zweiten Weltkrieg gegeneinander zu kämpfen. Und das Denkmal erinnert an die Befreiung Elberfelds von der Herrschaft Napoleons — das steht im Vordergrund, nicht das Andenken an die Monarchen.
Liudmilla Gutina über die russische Motivation zur Denkmal-Restaurierung.
Nichtsdestotrotz huldigen drei von vier Säulen des Denkmals drei Monarchen, die in ihrer Zeit für den spätabsolutistischen Staat, für Reaktion und für die Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten standen. Sollte man diese Monarchen in der heutigen Zeit verherrlichen, indem man ihre Säulen wieder in alter Pracht glänzen lässt?
Gutina: Sie liegen falsch. Dieses Denkmal ist errichtet worden auf Initiative der Elberfelder Bürger, die natürlich in ihrer Zeit ihren Herrschern gehuldigt haben. Aber hinter den Herrschern standen die Offiziere, die Soldaten, die einfachen Bürger und Bauern, die im Namen ihrer Herrscher gegen den Aggressor Napoleon gekämpft haben — dass das Denkmal daran erinnert, drückt ja die vierte Säule des Denkmals ganz deutlich aus. Natürlich waren die Herrscher, aus heutiger Sicht Unterdrücker, das mag sein. Aber das gilt für alle drei. Und in der damaligen Zeiten waren die Kaiser und Könige nun mal die Repräsentanten ihrer Völker.
Woher ist überhaupt die Initiative gekommen, das Denkmal wieder herzurichten?
Gutina: Die Initiative kam Ende des vergangenen Jahres aus der Duma, dem russischen Parlament. Man hat unseren Verein angerufen, uns auf das Denkmal hingewiesen und aufgrund der Einzigartigkeit des Denkmals, das Interesse bekundet dieses Denkmal zu restaurieren. In diesem Zusammenhang hat die 1. Vorsitzende unseres Vereins die Vollmacht der russischen Regierung bekommen, in allen Fragen rund um das Denkmal zu handeln und zu agieren.
Worin besteht das Interesse in Russland, dieses Denkmal zu restaurieren?
Gutina: Es gibt in Russland ein staatliches Förderprogramm, das Denkmäler, die einen Bezug zur Geschichte des russischen Staates haben, erhalten und restaurieren will. Das ist das Interesse: die russische Geschichte lebendig zu halten, auch außerhalb des russischen Staatsgebiets.
Woher soll das Geld für eine Restaurierung kommen?
Gutina: Dass Wuppertal kein Geld hat für eine mehrere tausend Euro teure Restaurierung, wissen wir. Daher ging es nie ums Geld, sondern nur um eine Genehmigung der Stadt, das Denkmal zu restaurieren. Das Geld liegt in Russland und wartet darauf, eingesetzt zu werden.
Über welchen Betrag reden wir da?
Gutina: Um 30.000 bis maximal 50.000 Euro — eigentlich also nicht viel Geld. Das Denkmal muss ja nicht komplett neu erstellt werden.
Warum hat Ihr Verein dann ein Spendenkonto für das Denkmal eingerichtet?
Gutina: Das war eine Idee der russischen Regierung. Der Gedanke dahinter ist: Wir wollen nicht, dass das Geld einfach vom Himmel fällt und die Wuppertaler den Eindruck haben, sie haben nichts damit zu tun. Stattdessen können die Wuppertaler sich mit kleinen Beträgen an dem Denkmal beteiligen. Denn es ist ja ihr Denkmal, das vor 200 Jahren ja auch von Elberfelder Bürgern durch Spenden finanziert wurde.
Das heißt: Wenn die Wuppertaler wollen, können sie etwas dazu beitragen und die Restaurierung zu ihrer Sache machen. Aber wenn sie nichts beisteuern, könnte das ganze Geld aus Russland kommen.
Gutina: So ist es.
Wie ist bislang die Resonanz? Haben Sie bereits Spenden oder Zusagen bekommen?
Gutina: Zahlen kann ich aktuell nicht sagen. Aber ein Rotary-Club hat sein Interesse bekundet, uns zu unterstützen. Dazu haben wir Zusagen von mehreren Bürgern bekommen. Und auch in der russisch-orthodoxen Kirche haben wir eine Spenden-Box aufgestellt, in die immer wieder etwas eingeworfen wird.
Also ist Ihr Eindruck schon: In der Stadt gibt es Rückhalt für das Projekt, und das nicht nur aus der Reihe der russischstämmigen Bürger Wuppertals?
Gutina: Genau. Und ich war sehr überrascht, wie viele Wuppertaler sich auch mit der Geschichte und den Hintergründen des Denkmals gut auskennen.
Die Position der Stadt, die ja vor allem Eberhard Illner, der Leiter des Historischen Zentrums, vertritt, lautet: Das Denkmal, so wie es jetzt ist, hat auch einen eigenen Wert, weil es eben einerseits den eigentlichen historischen Zweck noch widerspiegelt, dazu aber auch durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs auch die Tiefpunkte des deutsch-russischen Verhältnisses sichtbar macht. Aus dieser Sicht wäre eine Restaurierung geradezu unhistorisch. Diese Position teilen Sie nicht?
Gutina: Nein, die kann ich nicht teilen. Dieses Denkmal ist 200 Jahre alt und wurde zu einem bestimmten Zweck errichtet. Es hat mit dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg nichts zu tun — für diese beiden Ereignisse gibt es genug eigene Denk- und Mahnmale in Wuppertal. Als Denkmal des deutsch-russischen Kampfes gegen Napoleon ist es in Europa fast einzigartig — das einzige andere bekannte Denkmal für die Allianz gegen Napoleon ist das Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig. Warum pflegt Wuppertal dieses Denkmal nicht und versetzt es wieder in seinen Originalzustand? Das verstehe ich nicht.
Wenn die Stadt bei ihrer Position bleibt und die Genehmigung zur Denkmal-Restaurierung verweigert, was wollen Sie dann tun?
Gutina: Wuppertal hat nur eine Untere Denkmalbehörde. Es gibt übergeordnete Instanzen, auf Landesebene. An die werden wir uns dann wenden.
Wenn ich abschließend persönlich fragen darf: Setzen Sie sich als Russin oder als Wuppertalerin so stark für dieses Denkmal ein?
Gutina: Beides. Unser Verein vertritt fast 20.000 russischsprachige Mitbürger aus der Region, ob sie deutsche, kasachische, russische oder ukrainische Pässe haben. Ich bin eine von ihnen — eine Wuppertalerin und eine Russin. Und ich engagiere mich für diese Mitbürger, für viele Wuppertaler und für die russische Regierung.
Haben Sie Unterstützer in der Wuppertaler Politik?
Gutina: Kaum. Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas setzt sich für uns stark ein. Aber sonst bekommen wir nur von einfachen Bürgern Resonanz, und wir danken ihnen dafür.