Jeronimo teilt das Schicksal vieler Tauben in der Stadt
Mirja Dahlmann kümmerte sich um einen verletzten Vogel. Stadttauben werden allgemein aber eher als Plage angesehen.
Wuppertal. Einem verletzten Tier helfen oder einfach weitergehen? Für die meisten Menschen stellt sich diese Frage nicht, denn die Tierliebe ist bei vielen stark ausgeprägt. Außer es geht um Tauben. Die erregen nur selten das Mitleid der Städter. Auch die Autorin selbst stand vor dieser Wahl, als sie am Döppersberg eine am Flügel verletzte Taube entdeckte. Das Tier hatte Glück: Nach einem Tierarztbesuch fand der zudem unterernährte Vogel ein vorübergehendes Zuhause bei seiner Finderin. Er hört inzwischen auf den Namen Jeronimo. Ob er je wieder fliegen kann, ist laut der Ärztin in der Taubenklinik in Essen ungewiss.
„Stadttauben sind keine Wild-, sondern Haustiere, die den Anforderungen der freien Wildbahn nicht mehr in vollem Maße entsprechen“, sagt Petra Laskowski von der Stadttauben Bürgerinitiative Wuppertal. Die Nachfahren der ehemaligen Brieftauben bevölkern die Städte und suchen dort —oft vergebens — nach Nahrung. Da die Vögel von den Felsentauben abstammen, sind sie nicht in Wäldern, sondern in urbanen Lebensräumen anzutreffen. „Die Tauben vermehren sich so stark, da sie auf ganzjähriges Eierlegen und Brüten gezüchtet worden sind“, sagt Laskowski.
Dennoch: Wer hungrigen Tauben helfen möchte, sollte Tierschutzorganisationen unterstützen, nicht aber in der Stadt füttern. „Das Wildfüttern ist eine Ordnungswidrigkeit“, sagt Laskowski. Falsch sei aber auch das Vorurteil, dass die Tiere Krankheiten übertragen: „Verschiedene Studien, darunter eine des Robert-Koch-Instituts, belegen, dass eine Infektionsgefahr durch Tauben sehr gering ist“, sagt Petra Laskowski.
Ziel der Bürgerinitiative, die ein Taubenhaus in Elberfeld und eines in Oberbarmen betreibt, ist es, „die Anzahl der Tauben in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz zu reduzieren.“ Die Vergrämungsmethoden wie Stacheln oder Netze seien nicht geeignet, eine Überpopulation zu verhindern. „Wir setzen auf Geburtenkontrolle“, sagt sie.
In dem seit 2012 bestehenden Taubenschlag in Elberfeld wurden bis heute 3266 Taubeneier gegen Plastikeier ausgetauscht, im Vogelhaus in Oberbarmen rund 640 Eier. An den zwei Orten kümmert sich die Rentnerin Marita Dönnecke, die beide Schläge ins Leben gerufen hat, um die Tiere. Im Taubenschlag auf dem historischen Rathaus in Elberfeld wurden bisher rund vier Tonnen Taubenkot gesammelt. Da sich die Tiere — gelockt durch Futter und Nistplätze — laut Laskowski „70 bis 80 Prozent des Tages in dem Taubenschlag aufhalten“, werde die Präsenz der Stadttauben und auch ihr Dreck auf den Straßen deutlich reduziert. 400 Tiere leben im Elberfelder Taubenschlag, wo es einen geschlossenen Raum für kranke und behinderte Tauben gibt.
Wenn es Jeronimo wieder besser geht, könnte er ebenfalls im Elberfelder Taubenschlag eine Heimat finden. Sein Schicksal sei kein Einzelfall, erklärt Laskowski — gerade nicht am Döppersberg: „Wir suchen dort noch nach einem Platz und Sponsoren für eine weitere Taubenstation.“