Junge Mutter: „Ich schaff’ das alleine“

Michelle (26) ist alleinerziehend. Sie hat eine 60-Stunden-Woche — und sie lässt sich nicht unterkriegen.

Foto: Tobias Kestin

Wuppertal. Da sitzt Michelle. Ihre blonden Haare hat sie modern geschnitten, dazu ein weißes Hemd, einen orangen Schal — ein Piercing in der Unterlippe rundet ihr Aussehen hab. Eine normale junge Frau im Café, vor sich eine Cola. „Ich bin ein wenig nervös“, sagt sie. Mit Journalisten hat sie noch nie geredet. Dabei hat die 26-Jährige viel zu erzählen und meistert jeden Tag Schwierigeres als ein Interview: Michelle ist alleinerziehende Mutter.

Ihr Sohn Lean Lino ist sechs Jahre alt. Ein blonder Wirbelwind, der ein wenig sauer ist, dass Mama mit dem Journalisten reden darf, während er im Kindergarten ist. „Er ist das beste Kind, das man sich wünschen kann“, sagt Michelle und fügt hinzu: „Ich will gern zeigen, dass es auch alleinerziehend gut geht.“ Natürlich hat sie es nicht leicht: junge Mutter, der Vater in Hilden, sie noch nicht im Beruf. „Aber ich habe mir das doch ausgesucht“, sagt sie selbstbewusst.

Damals, als sie mit 18 Jahren ihren Eltern eröffnete, dass sie schwanger ist, war ihr Leben ein anderes. Freunde, Partys. Michelles Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen: „Um Gottes Willen, das arme Kind.“ Ihr damaliger Freund war fünf Jahre älter, sie waren vier Jahre zusammen. Während der Schwangerschaft hat Michelle sich von ihm getrennt. „Die Persönlichkeit ändert sich, wenn ein Kind unterwegs ist“, erklärt sie, mit ihm wäre es nicht gut gegangen. Dann lieber alleinerziehend — auch wenn das viele als Makel ansehen. „Wir werden schon schräg angeguckt.“

Aber das zählt für Michelle nicht. „Dieser Satz ,Kinder dürfen keine Kinder bekommen‘ ist falsch“, sagt sie. Sie spricht von Leans Vater, bei dem ihr Sohn alle zwei Wochen ist, von ihrem jetzigen Partner Kai, mit dem der Junge super auskommt. Klagen will Michelle auf keinen Fall — auch wenn etwa das Geld knapp ist. Denn sie macht gerade die Mittlere Reife bei der VHS nach, bekommt Bafög, einen Zuschuss vom Jobcenter, Leans Vater zahlt Unterhalt. „Viel ist es trotzdem nicht.“

Um Hilfe hat sie ihre Eltern aber nicht gebeten und hätte auch keine angenommen. „Ich habe ein Kind, ich bin erwachsen, ich schaff’ das doch allein.“ Gerade wartet Michelle auf die Noten ihrer Abschlussprüfung, dann hat sie die Mittlere Reife mit Qualifikation. Sie sucht einen Ausbildungsplatz zur Mediengestalterin, am besten noch dieses Jahr. Ihre Noten sind viel besser als früher zu Schulzeiten. „Mit Lean Lino sehe ich viele Dinge anders.“ Feiern gehen ist nicht mehr wichtig.

Ohnehin hat sie eine 60-Stunden-Woche: Morgens um 5.45 Uhr raus, Kind waschen, anziehen, mit dem Bus von Heckinghausen nach Cronenberg, er in den Kindergarten, sie zur Schule. Um 14 Uhr ist die Schule aus, sie holt ihr Kind ab, dann wieder zurück, lernen, das Kind unterhalten. „Ich habe keine Freizeit, bis Lean im Bett ist.“ Und dann kommt noch Hausarbeit, bevor ich ins Bett falle.“ Aber das nimmt sie gern in Kauf: „Ich habe es mir so ausgesucht, mir geht es gut.“ Auch ohne Leans Vater an ihrer Seite.