„Ständig Überzeugungsarbeit leisten“ Mit Leidenschaft zum Erfolg: Wie die Junior Uni Wuppertal zum Vorbild für Bildungsinitiativen wurde

Serie | Wuppertal · Junior-Uni-Gründer Ernst-Andreas Ziegler über den Neubau als „Leuchtturm“ für Wuppertal, Teil 9

  Ernst-Andreas Ziegler ist davon überzeugt, dass sich die Geschichte der Junior Uni überall wiederholen lässt.

Ernst-Andreas Ziegler ist davon überzeugt, dass sich die Geschichte der Junior Uni überall wiederholen lässt.

Foto: Christoph Petersen

Dass wir letztlich die Kraft und das Durchhaltevermögen hatten, diesen Gegenwind zu überstehen, hat sehr viel mit unserem aktiven Förderverein zu tun – mit Peter Vaupel als Vorsitzenden, Gela Preisfeld als stellvertretende Vorsitzende, Peter Krämer als Schatzmeister und anfangs Karolina Becker, dann in ihrer Nachfolge Jochen Braun. Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen, deren Mitgliederzahlen schrumpfen, wurde unserer immer größer. Das kam allerdings auch nicht von ungefähr.

Weil es nämlich vielen Menschen leichter fällt, eine Spende für einen guten Zweck zu geben, als sich durch eine Mitgliedschaft an einen Verein zu binden, mussten wir ständig Überzeugungsarbeit leisten. Zunächst mussten wir jeden und jede für unser Konzept begeistern und jeder und jedem die Überzeugung vermitteln, dass wir es allein und ohne persönliche Hilfe vieler Menschen nicht schaffen könnten. Und so war es ja wirklich. Diese Überzeugungsarbeit war vor allem mein Part. Ich habe mir buchstäblich „die Hacken abgelaufen“ und zahllose Vorträge gehalten, beispielsweise bei nahezu allen Vereinen und Bürgerinitiativen, um den Leuten die unbedingte Notwendigkeit einer Mitgliedschaft in unserem Förderverein klarzumachen – denn von nichts kommt nichts. Auf diese Weise konnte ich in kürzester Zeit viele Hundert Menschen für unsere gute Sache gewinnen.

In diesem Zusammenhang musste ich mich allerdings auch häufig heftiger Kritik von anderen hochengagierten Ehrenamtlern erwehren. Sie meinten, je mehr Geldzuwendungen die Junior Uni erhielt und je häufiger die Medien positiv über unsere Arbeit berichteten, umso kleiner würde ihr eigener Anteil an den Spenden, die ja auch sie für ihre Projekte dringend benötigten. Das schien auf den ersten Blick eine berechtigte Sorge zu sein. Doch tatsächlich konnte die Junior Uni Unternehmen, Stiftungen und einen Kreis großherziger Menschen als Spender gewinnen, die so fasziniert davon waren, ein völlig neues Bildungsangebot mit aufzubauen.

Die Erfolgsgeschichte der Junior Uni und ihrer Geschwister lässt sich nach meiner festen Überzeugung überall wiederholen. Dazu bedarf es vor allem Menschen, die sich leidenschaftlich kümmern. Meist sind das Ältere, die nach dem Erwerbsleben eine Herausforderung suchen, um die Welt wenigstens ein Stück weit zu verbessern. Doch das können natürlich auch Jüngere sein, die Zeit haben. Und auf welchem Feld wäre das sinnvoller, als Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Bildung bessere Lebenschancen zu vermitteln?

Wer sich künftig einer solchen Aufgabe stellt, sollte sich dabei allerdings trotz des Wuppertaler Vorbildes keinesfalls der Illusion hingeben, in Stadt und Region würden Politik und Verwaltung solche Wagnisprojekte sofort begeistert unterstützen. Von Ausnahmen abgesehen wie zum Beispiel in Essen, wo der amtierende Oberbürgermeister Thomas Kufen selbst Initiator war, dürfte das kaum von Anfang an der Fall sein.

Entmutigen lassen darf man sich aber auf keinen Fall. Denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich unsere Gesellschaft derzeit sehr grundsätzlich ändert – statt vom bisherigen „lieber-weiter-so“ hin zur Durchsetzung unabdingbarer Veränderungen. Deshalb müssen Politik und Verwaltung Abschied nehmen von dem jahrhundertelangen Selbstverständnis, nur sie hätten das Privileg, das Leben der Menschen zu verbessern. Falls dies überhaupt je gestimmt hat, stimmt es jetzt auf keinen Fall mehr.

Nachdem ich selbst jahrzehntelang in der Verwaltung gearbeitet habe, weiß ich um diese DNA des Öffentlichen Dienstes. Sie ist überholt. Denn ich kenne viele exzellente öffentlich Bedienstete, die sich ihrer Aufgabe mit großer Kompetenz und Leidenschaft widmen, aber dennoch nicht genügend Anerkennung finden. Deshalb halte ich die deutsche Verwaltung nach wie vor für eine der besten der Welt. Gerade deshalb wünsche ich so sehr, dass in vielen Ministerien und Rathäusern noch häufiger kräftig durchgelüftet wird.

Ändern muss sich dreierlei. Erstens: Vorgesetzte müssen ihre Mitarbeiter ermutigen, bei der Unterstützung privater Projekte auch Risiken einzugehen, und sie ausdrücklich in Schutz nehmen, falls etwas scheitert. Zweitens müssen bei Beförderungen diejenigen berücksichtigt werden, die diesen privaten Initiativen eine echte Chance geben. Drittens müssen Landesvorschriften so gelockert werden, dass Kommunen künftig auch dann Städtebauförderungsmittel zur Förderung von allgemeinwohldienlichen Start-ups abrufen dürfen, wenn deren dauerhafter Erfolg, zum Beispiel mangels Vorbilder, nicht garantiert werden kann – wie seinerzeit bei der Junior Uni.