Kommunal-Wahlkampf in Wuppertal Grenzgänger zwischen Politik und Wissenschaft

Wuppertal · Uwe Schneidewind, der Oberbürgermeisterkandidat von CDU und Grünen, bringt viel Renommee mit.

Uwe Schneidewind am Döppersberg, wo er die eine oder andere Mittagspause verbringt.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Zwischen einem Unternehmerfrühstück und einer Videokonferenz des Bundesforschungsministeriums nimmt sich Uwe Schneidewind eine Stunde Zeit zum Gespräch mit unserer Zeitung. Der Terminkalender des Oberbürgermeister-Kandidaten von CDU und Grünen ist voll, seit die Lockerungen der Coronaschutzmaßnahmen es wieder zulassen. Möglichst viele Menschen treffen, sich und seine Standpunkte bekannt machen, lautet die Devise des größten Herausforderers von Amtsinhaber Andreas Mucke. „Außerhalb einer Blase kennen mich bisher nur wenige“, weiß der langjährige Wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. In Wissenschaftskreisen ist der 53-Jährige (wird am Mittwoch 54) eine große Nummer. 2017 und 2019 wurde er von der FAZ zu den 100 einflussreichsten deutschen Ökonomen gezählt, war bis zu seiner Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt im Frühjahr Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderung, Vorsitzender der Kammer für Nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland, gehört dem Club of Rome an, einem internationalen Expertenzusammenschluss, der sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Die Liste ist länger, was nichts an einem Problem des Kandidaten ändert.

„Für viele Menschen ist Wissenschaft weit weg. Wissenschaftler schätzt man nicht, weil sie schlau sind, sondern weil sie zu etwas Nutze sind“, sagt Schneidewind. Hinzu käme die Sorge: Sind sie nahbar? „Corona hat da viel bewirkt, weil Wissenschaftlern interessiert zugehört wird“, so Schneidewind, der hofft, dass ihm nun genauso zugehört wird, wenn er über Wuppertal und dessen Zukunft redet. Eine Stadt, die hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibe. Sein Engagement will er einbringen, um das zu ändern im Schnittpunkt von Ökonomie und Ökologie, für den er steht wie kaum ein anderer. Er ist sich aber auch bewusst, dass Wissenschaft nur helfen könne, große Bilder zu sehen. „Die Politik muss es zusammenbringen mit dem, was die Menschen emotional abholt.“

Im persönlichen Gespräch schafft das Schneidewind leicht, wirkt alles andere als ein abgehobener Wissenschaftler. Auf dem politischen Parkett muss er sich erst zurechtfinden, erst Recht als Kandidat zweier Parteien, die sich beide in ihm wiederfinden wollen. Dass es in der CDU eine kontroverse Diskussion gegeben hat, bevor man sich doch für ihn entschied, findet er normal.

Bei politischen Reizthemen
die leisen Töne bevorzugt

Bei politischen Streitthemen wie der Forensik, wo Grüne und CDU als Mehrheitsparteien schließlich gemeinsam den Standort Kleine Höhe abgelehnt haben, habe er sich bewusst noch zurückgehalten, auch wenn er eine klare Meinung hat. „Bei einem Thema, das symbolisch so aufgeladen ist, hilft ein leiser Ton im Hintergrund mehr als steile Ansagen zu machen“, findet er. Sein Motto lautet: zusammenbringen. Auch das Thema Verkehr sieht er pragmatisch, nicht ideologisch, sei vorwiegend Fußgänger und ÖPNV-Nutzer, in diesen Wahlkampfzeiten aber nun doch froh, dass ihn seine Frau noch nicht habe überreden können, das einzige Auto in der Familie abzuschaffen. Nun hilft es ihm, schneller von Termin zu Termin zu kommen. „In den vergangenen vier Wochen bin ich mehr Auto gefahren als in den vergangenen zwei Jahren“, sagt Schneidewind. Wenn er zum Oberbürgermeister gewählt würde, wolle er sich allerdings ein E-Bike zulegen, weil es mit dem für ihn über die Nordbahntrasse kaum 20 Minuten ins Rathaus wären.

Ohne Antriebshilfe könnte Schneidewind sicher genauso schnell sein, müsste sich dann aber umziehen, wie er das für seine ausgedehnten Touren durchs Bergische tut. Das Rennradfahren ist seine sportliche Leidenschaft, seit mit Mitte 40 die Knie das Laufen nicht mehr mitmachten. Eine einstige Zehn-Kilometer-Zeit von  32:17 Minuten und 2:48 Stunden für den Marathon sprechen für sich. Er wirkt weiter sportlich wie ein Ausdauerathlet.

Die Disziplin Politik ist für ihn da neu, auch wenn er bereits 2005 Parteimitglied bei den Grünen geworden ist. Damals war er noch Präsident der Universität Oldenburg und wollte ein Zeichen setzen, weil er im Bundestagswahlkampf eine „plumpe Diffamierung“ von Umweltthemen gesehen habe. Politisch engagiert habe er sich darüber hinaus bis jetzt nicht. Seine Ämter hätten ihn da zu Neutralität verpflichtet. Jetzt fühle es sich aber richtig an, sich für Wuppertal zu engagieren, wo er seit sechs Jahren lebt. Der Stadt gehöre sein Herzblut, mit vielen Lieblingsorten wie dem Café Swane im Luisenviertel.

Für seine Familie sei Wuppertal das Nest geworden, inzwischen allerdings mehr Treffpunkt. Ehefrau Gundula, promovierte Medizinerin, mit der er seit 28 Jahren verheiratet ist, ist im  Europavorstand eines japanischen Pharmaunternehmens und viel unterwegs. Der Sohn promoviert in Rostock in Chemie, die eine Tochter (25) an der TU Wien in Informatik und die Älteste (27) beschäftigt sich mit Ökonomie und Entwicklungshilfe. Ein klassischer Akademikerhaushalt also, und so ist vielleicht typisch, wie er seine Frau kennengelernt hat. „Das war 1989 bei einem interdisziplinären Sommerseminar in der Schweiz.“ Sie studierte in Kiel, er in seiner Geburtsstadt Köln. Es habe sich alles schnell und gut gefügt. „Die Sommerakademie der Studienstiftung des Deutsches Volkes ist ein „bewährter Heiratsmarkt gewesen“, sagt er.

Überhaupt wirkt Schneidewind locker, nicht wie jemand, der im Wahlkampfstress steckt. Karriere machen muss er nicht mehr. „Ich tue das nicht, um nachher noch etwas werden zu wollen, es reizt mich, was hier an Aufgaben auf mich wartet, der Stadt mit richtigen Aktionen Impulse zu geben“, versichert er. „Ich habe sehr früh viel erreicht, dass ich jetzt für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren darf, sehe ich als Geschenk.“

(gh)