Was glauben Sie denn? Die Kopfbedeckung der Frau
Woher kommt der Brauch der Kopfbedeckung? Über das Für und Wider haben sich die Gelehrten während vieler Jahrhunderte gestritten.
Wie wir alle wissen, haben die drei Religionen des Buches, das Judentum, das Christentum und der Islam ihren Ursprung im Nahen und Mittleren Osten in einer patriarchalischen Gesellschaft. Für die Kopfbedeckung des Mannes gibt es völlig andere Begründungen als für die Kopfbedeckung der Frau. Das zwingt uns, beide Fragen getrennt zu betrachten.
Zunächst sei festgehalten, dass es im TeNaCH, der Hebräischen Bibel, keine verpflichtende Anweisung für den Mann gibt, eine Kopfbedeckung zu tragen. Lediglich bei der Beschreibung der Kleidung, die der Hohepriester und seine Assistenten bei feierlichen Amtshandlungen zu tragen haben, wird in Exodus 28 (2. Mose 28) mehrmals ein Kopfbund, eine Art Turban, als Bestandteil dieser besonderen Tracht erwähnt.
Das Verhüllen des Hauptes findet sich sonst lediglich in Situationen tiefer Trauer. In 2. Samuel 15,30 trauert König David um seinen Sohn. Bei Jeremiah 14,3 trauern alle um die in der extremen Dürre vertrocknete Ernte und in Ester 6,12 verhüllt gar der böse Haman sein Haupt in Trauer, weil er erkennt, dass er sein Leben verwirkt hat.
Woher kommt nun der Brauch der Kopfbedeckung? Über das Für und Wider haben sich unsere Gelehrten während vieler Jahrhunderte gestritten. Dazu gibt es im Talmud und auch in späteren Korrespondenzen viele Geschichten. Hier ein paar Beispiele: Unter der Herrschaft der Babylonier und später auch der Römer mussten die Sklaven eine Kopfbedeckung tragen, wenn ein freier Mann eine Audienz bei seinem Herrscher hatte, der sich oft wie ein Gott verehren ließ, dann trug er aus Ehrerbietung eine Kopfdeckung. Das brachte die Juden ins Grübeln. Sie waren zwar jeweils aus ihrem Land, besonders aus Jerusalem, vertrieben, aber sie waren keine Sklaven. Ihre oberste Autorität war Gott. Also begannen die Gelehrten und ihre Schüler beim Gebet und beim Studium der Heiligen Schriften, sich in ihren Tallit, den Gebetsschal, zu hüllen. Das taten aber keineswegs alle. Nein, das wurde, wie gesagt, lange kontrovers diskutiert.
Verheiratete Männer gingen dazu über, gelegentlich einen „Sudar“, eine Art Turban zu tragen. Die Mystiker hatten da eine eindeutige Haltung. Rabbi Chuna sagte, dass er keine vier Ellen barhäuptig gehe. Wenn der Mensch auch im Ebenbilde Gottes geschaffen sei, so solle er sich trotzdem stets seiner Grenzen ehrfurchtsvoll bewusst sein. Natürlich folgten ihm seine Schüler ohne Wenn und Aber. Auch der große Gelehrte des Mittelalters, Maimonides, empfiehlt die Kopfbedeckung als Zeichen von Ehrfurcht und Respekt. Abgesehen von diesen religiös motivierten Überlegungen machten Juden noch ganz andere prägende Erfahrungen. Seit 2000 Jahren leben sie über die ganze Welt verstreut und müssen sich den Gepflogenheiten anpassen, die in den Gastländern herrschen. Damit nicht genug, unterlagen sie als Fremde sehr oft zusätzlich diskriminierenden Bedingungen. Ab 717 verbot Omar II. in seinem schon recht großen Herrschaftsgebiet Juden und Christen das Tragen muslimischer Gewänder. Juden mussten zusätzlich gelbe Bänder an ihrer Kleidung tragen. Ab dem 11. Jahrhundert. wurde der gelbe Turban zur Pflicht erhoben. Die Kirche verbot nach dem 4. Lateran-Konzil 1215 Juden und Sarazenen, so nannte man damals Araber, die Kleidung der Christen. Juden mussten „gehörnte Hüte“ tragen. In deutschen Ländern waren es spitze Hüte. In Spanien wurden ihnen von 1412 bis 1499 und in Frankreich bis zur Revolution 1789 grüne Barette aufgezwungen. Nicht überall wurden diese Regeln streng eingehalten, aber wo kontrolliert wurde, drohten den Juden, die ohne diese Hüte angetroffen wurden, drastische Strafen. In Osteuropa herrschten wieder andere Sitten. 1848 wurde den Juden in Russland per Ukas das Tragen einer Kopfbedeckung verboten. Vom 17. bis 19. Jahrhundert trugen viele Männer in Polen und auch in Russland Perücken. Auch der berühmte Moses Mendelssohn trug eine Perücke, was der damaligen Mode geschuldet war.
Mit der Aufklärung und der Emanzipation der Juden fielen die diskriminierenden Vorschriften weg. Doch viele Juden hatten das Tragen einer Kopfbedeckung verinnerlicht. Allerdings passte man sich der jeweiligen Mode an und so trug man Zylinder, Melone oder Hamburger, die Arbeiter trugen meistens Schirmmützen. In Polen übernahm man von der Tracht des polnischen Edelmannes den Pelzhut, der im Winter die Ohren schützte. Manche Juden tragen ihn heute noch, selbst bei 40° C im Schatten in Jerusalem. Auf Jiddisch heißt er „Strejmel“. Im 18. Jahrhundert kam in Polen in den chassidischen Gruppen die Kippa (jiddisch „Keppl“) auf.
Heute trifft man in Israel und in jüdischen Zentren wie Antwerpen, London oder New York eine Vielzahl an unterschiedlichen Kopfbedeckungen an, die der Kenner der jeweiligen religiösen Gruppierung zuordnen kann. Allerdings sieht man mehrheitlich barhäuptige Juden. Unter religiösen Juden hat sich die Tradition herausgebildet, in der Synagoge, beim Gebet, beim Studium der Schriften und bei den Mahlzeiten eine Kopfbedeckung zu tragen. Niemand ist gezwungen, sich durch das Tragen einer Kippa in der Öffentlichkeit mit Leib und Leben in Gefahr zu bringen. Juden feiern das Leben, für jüdische Märtyrer haben über die Jahrhunderte andere reichlich gesorgt.