Was glauben Sie denn? Passion im Jugendknast
Ich fühl mich federleicht, aber meine Gedanken sind wie Beton…“, so formulierte ein junger Mann es neulich in einem Gespräch. Er leidet an dem, was er getan hat, er fragt sich, wie er damit leben soll, wer noch zu ihm hält, er fragt, ob Gott ihm vergeben kann.
Die Passionsgeschichte, der Weg Jesu, von seiner Verhaftung bis zur Verurteilung, ist vielen Inhaftierten zugänglich. Die vermeintlich guten Kumpel verraten einen, um nicht selbst vor Gericht zu müssen, die anderen haben sich aus dem Staub gemacht. Die Verhaftung geschieht erwartet unerwartet und die Stigmatisierung ebenso. Im Haftraum kommt das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertsein. Und dann die große Ungewissheit. Wann wird der Prozess sein, wie werden die Richter entscheiden, wird jemand da sein im Gerichtssaal, jemand, der noch zu mir hält?
Viele der Jugendlichen, die in unsere Gottesdienste und Gespräche kommen, sind sich ihrer Schuld bewusst und sie fragen nach Beziehung, nach einer verlässlichen Bindung. Oft gibt es diese verlässlichen Bindungen in ihrem Leben nicht. Wechselnde Heimunterbringungen, reichlich Gewalterfahrungen, innere Verwahrlosung durch die Gleichgültigkeit der Eltern sind möglicherweise prägend gewesen. Kompensiert wird diese innere Armut durch Konsum und immer mehr Konsum. Für viele gilt das Gesetz der Straße und das bedeutet, keine Schwäche zeigen, Auge um Auge, Zahn um Zahn, bevor ich (wieder) verletzt werde, verletze ich. Da sind die Worte Jesu von der Liebe als verändernde Macht ultimativ herausfordernd.
Religion ist im Gefängnis ein starkes Beziehungsangebot. Gott, die verlässliche Beziehungsgröße, die eine neue Chance gibt, die vergibt. Vor allem im Gebet, im gemeinsamen Vater Unser, wird die göttliche Realität spürbar.
In der Passionszeit gehen wir in diesem Jahr anhand des Misereor Hungertuches den Themen des Leidensweges Jesu nach. Das von Uwe Appold gestaltete Bild stellt Fragen: Mensch, wo bist du? Wofür stehst du ein? Worauf findest du allein keine Antwort? „Das Bild sieht aus wie eine Schatzkarte“, assoziierte ein Jugendlicher im letzten Gottesdienst.
Mir persönlich ist wichtig, dass Passion nicht nur Leiden, sondern auch Leidenschaft bedeutet. Die Leidenschaft Jesu für seine Überzeugung, dass die Liebe die einzige Macht ist, die diese Schöpfung, die uns Menschen retten kann. Sein leidenschaftlicher Kampf für die Gleichwertigkeit und Würde aller Menschen. Sein Eintreten für mehr Gerechtigkeit, für Widerständigkeit. Diese leidenschaftliche Haltung ist für mich die zentrale Aussage seiner Botschaft.
Jesus war ein passionierter Liebender, ein passionierter Kämpfer gegen all das, was tötet und verletzt. Ein passionierter Kämpfer für das Leben, wie es ist und wie es sein könnte.