Begrabt mein Herz in Wuppertal Körperkunst auf dem Barmer Werth

Kolumnist Uwe Becker über Tattoos und luftige Kleidung.

Foto: Joachim Schmitz

Wuppertal. Summer in the City. Die Männer tragen wieder ihre Dreiviertel-Hosen. Frauen zeigen noch mehr Bein. Das ist jetzt die Zeit der Unterschenkel-Tätowierten. Die Kleidung wird leichter und luftiger. Nun kann das kostspielige, in vielen Arbeitsstunden gestochene Hautbild vorgeführt werden. Aber auch die Tätowierungen in den oberen Regionen des Körpers werden sichtbar: Unterarm, Oberarm, Bauch, Rücken, Hals, Kopf. Wenn man durch den Barmer Werth oder die Elberfelder Poststraße spaziert, könnte man den Eindruck gewinnen, es gibt inzwischen mehr tätowierte Wuppertaler als Preisnachlässe in Matratzenfachgeschäften.

Früher kannte man das ja nur von Kriminellen und Männern, die zur See fuhren. Mein Onkel hatte einen Anker tätowiert, ich dachte als Kind immer, er wäre Kapitän auf einem U-Boot. Später erzählte mir meine Tante, dass er im Gefängnis war. Ich möchte vorab klarstellen, ich bin kein Gegner dieser Form der Körper-Kunst, als kleiner Junge trug ich gerne die Tattoo-Abziehbildchen. Um das Motiv lange zu erhalten, wusch ich mich ein paar Tage nicht mehr an dieser Stelle. Viele meiner Freunde, Bekannten und Arbeitskollegen schmücken sich mit Tattoos.

Die Mehrzahl dieser mit Tinte, Pigment oder anderen Farbmitteln in die zweite Hautschicht eingebrachten Körperzeichnungen sind zuweilen recht hübsch anzusehen. Aber eben nicht alle. Bei meinen Beobachtungen komme ich in der Regel zu der Erkenntnis, dass viele Zeitgenossen, die unschöne Tätowierungen aufweisen, sehr oft auch in der Wahl ihrer Textilien daneben liegen. Zuweilen sind auch die Grenzen der Hautbilder erreicht.

Ich beobachtete kürzlich ein Pärchen in den City-Arkaden. Der Mann war gut 1,90 Meter groß. Seine weibliche Begleitung drei Köpfe kleiner. Beide waren ausreichend und bunt tätowiert. Der Mann hatte noch Freiraum für Tattoos. Bei der Frau sah ich jedoch kaum noch freie Kapazitäten. Andere Damen belassen es da eher bei einem kleinen Schmetterling neben dem Bauchnabel oder sie lassen sich eine Rose auf die Po-Backe stechen. Tätowierungen sind schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Frau unseres vorletzten Bundespräsidenten, der Name ist mir gerade entfallen, trug ein Tattoo auf ihrem rechten Oberarm. Alles gut.

Tätowierungen können aber auch beruflich von Nachteil sein. Eintracht Frankfurt hatte Abwehrspieler Guillermo Varela drei Tage vor dem DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund suspendiert. Der 24-Jährige hatte sich entgegen der Anweisung von Trainer Niko Kovac und des Rats der Ärzte ein Tattoo stechen lassen, das sich im Anschluss entzündete. Aber wie sieht es im Alter aus? Wenn das Bindegewebe nachlässt oder einzelne Zeichnungen nicht mehr gefallen? Die Entfernung von Tätowierungen ist möglich, aber zeit- und kostenintensiv.

Ich stelle mir vor, wie in gut 50 Jahren eine rumänische Altenpflegerin während der Ganzkörperwäsche einer Bewohnerin von dieser gefragt wird: „Kindchen, was steht da noch mal auf meinem Rücken? Ich habe es vergessen.“ „Immer noch dasselbe wie gestern!“ „Ja, aber was denn?“ „Sie haben da eine Zeichnung, früher nannte man das ‚Arschgeweih’, Frau Grabowski!“ „Aber da stand doch auch noch ein Spruch drüber…“ „Ja, da steht ‚Fuck you’!“