Freies Netzwerk Kultur Kolumne: Über Kunst und Kultur Quellen der Zuversicht und Heilung erschließen

Wuppertal · Uta Atzpodien schreibt für das Freie Netzwerk Kultur.

Foto: WZ/Ritter, Andreas

„Bla Bla Bla“: So kommentierte die Klimaaktivistin Greta Thunberg den Weltklimagipfel in Glasgow. Ihre deutsche Kollegin Luisa Neubauer bezeichnete die Abschlusserklärung als „Betrug“. Junge indigene Influencerinnen wie Alice Pataxó waren vor Ort. Nicht nur die Statements der nachwachsenden Generation zeigen: Viele Worte, nicht ausreichende Vereinbarungen, fehlendes konkretes Handeln. Derzeit hängt ein Nebelschleier über dem düsteren November, die akute vierte Welle der Covid19-Pandemie, die Menschenrechtssituation in Belarus und andere kaum verdaute zurückliegende Katastrophen, lokal bis global: All dies zerrt an den Gemütern. Wenig Halt bleibt da unter den Füßen, es erfordert ein enormes Bewusstsein. Eindringlich kam dieses Gefühl in der jüngsten Produktion vom Tanztheater Pina Bausch zum Ausdruck: In „Ectopia“ von Richard Siegal schlitterten, rutschten und meisterten die Tänzerinnen mit faszinierender Körperbeherrschung die Herausforderungen eines mit einer roten Mischung aus Wachs und Vaseline getränkten Bühnenbodens. Dystopie und Ritual verbündeten sich hier – samt utopischer Funken – ganz eigenwillig.

Angesichts all dieser Szenarien wird mir tagtäglich klar, wie sehr wir eine Kultur brauchen, die nicht in Dystopien versinkt, sondern „Weltentwürfe und Visionen für eine positive Zukunft“ entwickelt. Diese Worte einer Wuppertaler Schulleiterin beim Arbeitstreffen „Gesamtkonzept kulturelle Bildung“ klingen nach und machen mir die Verantwortung und das Potential von uns Kunst- und Kulturschaffenden – im Grunde von uns allen – deutlich: der nachwachsenden Generation, uns selbst gegenüber. Wir können dazu beitragen, eine Welt, die aus der Balance geraten ist, wieder in Balance zu bringen. Oft sind es kleine, einfach menschliche Momente, die Themen ansprechen, die wichtig sind, über sich hinaus wirken und Haltung verkörpern.

Drei Abende an einem Ort: „Minenfeld Dolmetschen“, ein Gastspiel aus Berlin, bewegte eindringlich-humorvoll mit beschwingten authentischen Szenarien aus der Sprach- und Integrationsvermittlung unserer multikulturellen Gesellschaft. Im anschließenden prominent besetzten Podium im Insel Verein wurde deutlich, wie wichtig und zukunftsweisend diese Arbeit vielerorts ist und mehr Anerkennung und Wertschätzung braucht. Über Tanz, den Film „Malou and Dominique“ und im Gespräch mit Mark Sieczkarek und Dominique Mercy wurde spürbar, was ein zu eigenem Leben erwecktes kulturelles Erbe ausmachen kann. Dies wird bisher viel zu wenig betrachtet, schwingt doch für viele die intensive Arbeit mit Pina Bausch nach, ihr feiner Sinn für Menschlichkeit, und fließt in eigene künstlerische Arbeiten, fast magisch ins Menschsein ein. Geheimnisvoll verkörperte letzten Samstag der Tanzabend „Secrets“ des brasilianischen Choreografen und Tänzers Ricardo Viviani – mit Beiträgen des aus Japan stammenden reifen Tänzers Mitsuru Sasaki und des jungen französischen Folkwang-Absolventen Gabriel Gaudray Donnio – eine Kultur der Zuversicht. Sie manifestierte sich in Einfachheit, in einer schlicht-ausdrucksstarken Zärtlichkeit.

So können über Kunst und Kultur Quellen der Zuversicht und Heilung entstehen und die Zuschauenden dabei unterstützen, sich mit Haltung und Menschlichkeit für die Zukunft zu engagieren. Ohne Bla Bla Bla: Für die weltweite Herausforderung, die Stadtentwicklung und konkret für ein Pina Bausch Zentrum wünsche ich mir eine tiefe Verwurzelung, die an solche existierenden und sprudelnden Quellen der Zuversicht umfassend anknüpft.

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