An Kuohn und der ganz alltägliche Wahnsinn
Interview: Die Schauspielerin spricht über ihren Gedichtabend und die Finanzkrise der Bühnen.
Frau Kuohn, was schätzen Sie an den Gedichten von Ringelnatz und Morgenstern?
An Kuohn: Beide haben — in eigener Weise — einen sehr feinen Humor, der wohltuend frei von Zynismus ist. Die Gedichte sind skurril und komisch und von überraschender Tiefe. Sie sind ein Versuch, die damals schon irre Welt zu verstehen und zu deuten.
Was erwartet die Gäste am Samstag im Kunstraum „Olga“?
Kuohn: Es wird ein heiterer Abend mit Gedichten und improvisierter Musik. Seltsame Tiere, mystische Begebenheiten und rätselhafte Weisheiten treffen auf Alltagsbeobachtungen und Philosophie. Wie wird man mit einer offenkundig verrückten Welt fertig? Wo findet man einen Halt auf der schiefen Ebene des Alltagswahnsinns? Wer die Arbeit von Sonorfeo kennt, weiß, dass diese Art der Vertonung sehr gut zu diesen kleinen Mini-Dramen passt und manches fühlbar macht, was Sprache eben nicht kann.
Im Opernhaus sind Sie derzeit als hoch verschuldete Gutsbesitzerin zu sehen: „Der Kirschgarten“ erzählt vom Überlebenskampf einer russischen Familie. Das Stück ist durchaus symbolisch zu sehen: Auch die Wuppertaler Bühnen kämpfen um ihr Überleben. Wie empfinden Sie die aktuelle Finanzkrise?
Kuohn: Ich halte sie für systemimmanent und sehe mit Erschrecken, dass scheinbar nichts daraus gelernt wurde und allenthalben nach dem Motto „mehr desselben“ verfahren wird. Als der Schock noch ganz frisch war, wurde über alternative Wirtschaftssysteme nachgedacht und gesprochen, das scheint nun alles vom Tisch. Und ich fürchte sehr, dass die Kunst mittelfristig auf der Strecke bleibt.
Wie ist die Stimmung im Wuppertaler Ensemble?
Kuohn: Die Stimmung ist, glaube ich, ganz gut. Im täglichen Probenprozess sind wir mit unseren Figuren und nicht ständig mit der Bedrohung des Theaters beschäftigt. Sie sind seit der Spielzeit 2002/2003 in Wuppertal engagiert.
Gab es eine Rolle, die Sie in besonderem Maße geprägt hat?
Kuohn: Es gab verschiedene wichtige Rollen, zum Beispiel Lucie („Polygraph“), Maggie („Die Katze auf dem heißen Blechdach“), Lola Blau, Mutter John („Die Ratten“) und Kriemhild („Nibelungen“). Sicherlich gehört in dieser Spielzeit die Ranjewskaja aus dem „Kirschgarten“ dazu.
Im Theater gehören häufige Wechsel zum Arbeitsalltag. Weshalb sind Sie Wuppertal seit 2002 treu geblieben?
Kuohn: Aus persönlichen wie beruflichen Gründen. Am Ende der Kuck-Ära war ich eigentlich auf dem Absprung, doch als klar war, dass Christian von Treskow Intendant wird, fand ich es reizvoll, hier noch einmal einen Neustart zu versuchen.
Welche Projekte stehen als nächstes an?
Kuohn: Die unmittelbar nächste Arbeit wird „Kaspar Häuser Meer“ von Felicia Zeller sein. Ein sehr spannendes Stück über drei heillos überforderte Sozialarbeiterinnen. Ich finde, es ist ein tolles Team mit Julia Wolff und Anne-Catherine Studer. Regie führt Katrin Lindner. Montag ist Probenbeginn. Und dann freue ich mich sehr auf das Projekt „Rost“ mit Anne Hirth in der kommenden Spielzeit.