Oper hat jetzt eigenen Podcast Kann man vor dem Singen Schokolade essen?

Ensemblemitglied Sebastian Campione startet einen Podcast an der Wuppertaler Oper.

Ungewohnte Rolle: Der BassSebastian Campione startet den Podcast der Oper Wuppertal: „Campiones Pod-Casting“.

Foto: Oper Wuppertal/Marc von Reth

Wer ihn als schrillen, extravaganten Wunderheiler Dulcamara in Donizettis Oper „Der Liebestrank“ sah, weiß: Sebastian Campione kann nicht nur singen, er kann auch entertainen. Der Tenor an der Oper Wuppertal weiß um seine Stärken als Showman und Moderator, seine Dialogfähigkeit. Stellt diese nun in den Dienst eines neuen, ungewohnten Formats. „Campiones Pod-Casting“ soll einmal im Monat Persönliches, Überraschendes und Informatives für Freunde des Musiktheaters bieten und zugleich ein Lebenszeichen ans fehlende Publikum schicken. Der 36-Jährige hat Riesenspaß dabei und fühlt sich „unterschwellig bestätigt“, dass seine Idee auch funktioniert.

Campiones Idee ist ein Kind der Corona-Krise, die im ausgebremsten Aufführungsfluss digitale Formate im kulturellen Bereich fördert. Das fiel auch dem Opernsänger auf, der vorschlug, das unaufwendige Podcast-Format an die Wuppertaler Oper zu holen, die über Themen, das technische Equipment und die menschliche Manpower verfügt. Ein Podcast, so Campione, könne ihr wieder mehr Relevanz in der Stadt und in der Opernwelt verschaffen. In einer Ensemble-Sitzung im Januar schlug er die Idee vor. Damals waren gerade Gesangsproben ziemlich unmöglich geworden, weil Arbeitsschutzvorschriften forderten, dass die Künstler in getrennten Räumen agieren sollten. „Seriöse Proben waren nicht mehr möglich. Damit waren alle Ideen ausbremst, die eine musikalische Präsentation beinhalteten“, erinnert Operndramaturg Marc von Reth. Campiones Vorschlag wies den Ausweg und wurde, nachdem der Opernintendant zugestimmt hatte, umgesetzt.

Alle Ideen einer musikalischen Präsentation ausgebremst

Startschuss für die Konzeptausarbeitung. Campione, von Reth und seine Kollegin Sina Dotzert wollen keine normalen Interviews machen, keine Vorlesung über Musik halten, dafür Fachsimpeleien unter Kollegen über Stimmlagen oder bestimmte Arien, über Wunschpartien oder persönliche Sternstunden anbieten. Von Reth: „Wir wollen nah an die Menschen ran, auch über Dinge etwas erfahren, die gar nichts mit der Oper zu tun haben. Dafür braucht es die richtige Atmosphäre, braucht es Eckpfeiler.“ Um „die Dinge zwischen den Lebensabschnittsstufen zu erfahren“, ergänzt der Opernsänger. Das Gefühl, bevor sich der Vorhang hebt oder eine Antwort auf die Schokoladenfrage – wie es die Sänger mit der süßen Nervennahrung vor dem Auftritt halten. Was man sich eben so erzählt, wenn man (im pandemiefreien Probenalltag) in der (aktuell geschlossenen) Kantine zusammenkommt.

Das Trio testete Fragen, erstellte einen Katalog zu Gesprächsfeldern, formulierte das Format klarer, erarbeitete schließlich einen Leitfaden für den Moderator, der diesen in seine Sprache übersetzt. So trifft er auf seine Gäste. Auch wenn der Aufnahmeort nicht die Kantine, sondern das kleine Foyer ist, das sich akustisch besser eignet „und einen besseren Ausblick hat“, verrät Campione. Im Unterschied zu ihm sind seine Gesprächsgäste aber wirklich unvorbereitet, begeben sich in eine Situation, die von Reth mit dem Vorsprechen oder -singen, einer Art Casting vergleicht – was direkt zum Titel des neuen Formats, „Campiones Pod-Casting“, führt.

Der Bass, der seine Moderatorenfertigkeiten und reichen Erfahrungen aus der Opernwelt beisteuern kann, ist gesetzt. Seine Gesprächspartner sollen das komplette Opernleben abbilden, also aus allen Gewerken vor und hinter der Bühne stammen. Den Anfang machen gleichwohl diejenigen, die das Rampenlicht gewohnt sind: Bariton Simon Stricker (Teil eins) und Mezzosopran Iris Marie Soyer (Teil zwei). Für die dritte Folge läuft gerade das gerade die Auswahlverfahren. Von Reth: „Wir hoffen, über den Dialog mit Hörern auch Vorschläge zu bekommen.“ Maximal 30 Minuten lang sind die einzelnen Gespräche, pro Monat soll eines auf Sendung gehen. „Das Format soll sich erstmal als Teil des Theaters etablieren, wachsen“, sagt Campione zur Perspektive. Folge eins ist mittlerweile im Netz abrufbar (siehe Kasten), Teil zwei soll bald folgen. Campione genießt die neue Aufgabe, die handwerklich und zeitlich fundiert und mit Herz angegangen werde. „Das nimmt jeden Grund, aufgeregt zu sein. Da hatte ich auf der Bühne schon nervösere Momente“, erzählt er. Die Schokoladenfrage beantwortet er selbst übrigens mit Nein: Schokolade vor dem Auftritt schade zwar nicht seiner Stimme, aber sie verklebe den Mund.