Konzert Betört vom Tasten-Löwen

Starpianist Lang Lang begeisterte die Zuhörer in der Stadthalle mit meist traumhaft schöner Melodieführung.

Foto: KFR/Mark Wohlrab

Wuppertal. Lang Lang verbeugt sich, beide Arme mit den Handflächen ins Auditorium gerichtet. Die Gäste im ausverkauften Großen Saal der Stadthalle sind ganz aus dem Häuschen. Es gibt stehende Ovationen ob der atemberaubenden artistischen Klaviertechnik.

Die hat der Popstar der Klassik bei den Eckteilen der vier Scherzi von Frédéric Chopin und bei der letzten Zugabe mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Rondo alla Turca“ aus der 11. Klaviersonate (hier nach dem olympischen Motto „schneller, höher, weiter“) nonchalant gezeigt.

Der 32-jährige Chinese zelebrierte rasend schnelle Läufe, einem Trommelfeuer ähnliche Akkord-Kaskaden und Oktav-Repetitionen derart souverän, wie es weltweit wohl kaum ein anderer Pianist vermag. Das alles spulte er beim Konzert im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr nicht einfach so ab, sondern überzeugte mit nuancierter Dynamik.

Der Tastenlöwe kann aber mehr als nur pianistisches Handwerk der Spitzenklasse. Er ist musikalisch reifer geworden in den vergangenen Jahren. Das zeigte sich in der ersten Zugabe bei „Zart und singend“, dem 14. Stück aus Robert Schumanns Klavierzyklus „Davidsbündlertänze“. Hier wie auch beim zweiten Satz des „Italienischen Konzerts“ von Johann Sebastian Bach, der sanglichen Weise in der Barkarole aus Peter Iljitsch Tschaikowskys Zyklus „Die Jahreszeiten“ oder den mittleren Abschnitten der Scherzi betörte Lang Lang mit traumhaft schönen Melodieführungen.

Leider hielt das insgesamt sehr unruhige Publikum solche leisen, intimen Stellen nicht aus und ging mit anhaltenden Hustenattacken dazwischen.

Fest zupackend präsentierte er sich bei den Ecksätzen des „Italienischen Konzerts“, ebenso in den Monaten Mai und Juli aus den „Jahreszeiten“. Der Karneval im Februar polterte ausgelassen vor sich hin. Anschaulich stellte er das Sprießen der Schneeglöckchen im April und die Glöckchen der Troika im November dar. Grotesk geriet ihm hingegen der eigentlich festlich-beschwingte Weihnachtswalzer. Die kompositorisch schön entwickelte Mittelstimme bei der Ernte im August wurde bedauerlicherweise von schweren Akkorden zugedeckt.

Statt einer großen musikalischen Linienführungen waren es insofern mehr Schnappschüsse von zwölf Monaten, die seine Interpretation der „Jahreszeiten“ kennzeichneten. Der große gedankliche Überbau — der andauernde Wechsel der Zeiten, das ständige Werden und Vergehen, die Ausdrucksformen der menschlichen Psyche — litt darunter.

Doch die Ansätze für solche wichtigen musikalischen Längen waren offenkundig und stimmen optimistisch für seinen hoffentlich nächsten Auftritt in Wuppertal.