Ausbildung Damit es nach dem Studium mit dem Orchesterjob klappt
Vier Stipendiaten besuchen derzeit die neue Orchesterakademie der Wuppertaler Sinfoniker.
Die Situation ist vielen jungen Musikern vertraut: Das Solovorspiel bei der Bewerbung um eine Orchesterstelle klappt bestens, dann aber kommt der ungewohnte Orchesterpart. Dem Sprung ins kalte Wasser folgt oft das Scheitern. Das könne man auch nicht theoretisch, sondern nur praktisch lernen, im Zusammenspiel mit dem Orchester, meint Andreas Heimann, der Solo-Oboist im Sinfonieorchester Wuppertal (SOW) und Vorsitzender der Orchesterakademie des SOW ist. Eine Aufgabe, die die neue Akademie seit dem Herbst übernommen hat. Derzeit bildet sie die ersten vier Stipendiaten heran. Sie erwerben, so Orchestermanager Benjamin Reissenberger, eine Zusatzqualifikation, die sie auf dem Arbeitsmarkt attraktiver macht.
Der Geschäftsführer der Musikhochschule Wuppertal und Vorsitzende der Konzertgesellschaft, Lutz-Werner Hesse, wünschte sich seit Jahren eine Orchesterakademie. Bei Generalmusikdirektorin Julia Jones fand er offene Ohren, suchte und fand Sponsoren – neben der Konzertgesellschaft selbst sind dies Knipex, EDE- und Schuler-Stiftung.
Zusammen mit Reissenberger ging Hesse Ende 2018 an die praktische Umsetzung. Was zunächst vor allem Organisation bedeutete. Ein Trägerverein wurde aus dem Orchester heraus gegründet, weil die Stipendiaten zwar im Orchester 15 Dienste im Monat absolvieren, aber nur einen Zuschuss von 800 Euro und nicht den Tariflohn der Mitglieder des SOW erhalten.
Ein Kuratorium, bestehend aus dem Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen GmbH, Daniel Siekhaus, Lutz-Werner Hesse, Julia Jones, der stellvertretenden Soloflötistin Catarina Laske-Trier und dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Gunther Wölfges, wurde dem Verein zur Seite gestellt. Es soll die Anbindung an die Stadt und den Blick von außen gewährleisten.
Jeder Stipendiat hat einen Mentor aus seiner Instrumentengruppe
Noch vor der Sommerpause wurden vier Stipendiaten – zwei Geigen-, ein Viola- und ein Violoncellospieler – wie in der Realität von den jeweiligen Instrumentengruppen des SOW ausgewählt. Reissenberger erklärt den Hintergrund: „Das Orchester sucht sich seine Mitglieder selber aus. Das ist etwas ganz Besonderes und sehr Sensibles. Die Musiker merken sehr schnell, ob sie miteinander spielen können oder nicht.“
Eine Spielzeit dauert die Ausbildung im Orchester. Zu den Inhalten gehören das Probenspieltraining inklusive Kritik durch die Musiker des Orchesters, Konzert- und Opern-Auftritte sowie Korrepetition mit einem Pianisten. Jeder Stipendiat hat einen Mentor, „ein Orchestermitglied aus der entsprechenden Instrumentengruppe, der ihn an der Hand nimmt, durch den Dienstbetrieb führt“, fährt Heimann fort.
Demnächst stehen Instrumentalaufnahmen mit dem Institut für Musik und Medien in Düsseldorf an, außerdem schwebt Heimann ein Probespiel mit dem Orchester und eine mentale Begleitung mit Auftrittscoaching, von der Präsentation bis zur Bekämpfung der Nervosität, vor.
Die 26-jährige Kateryna Kostiuk studierte an der Nationalen Musikakademie der Ukraine und an der Musikhochschule in Köln, gewann mehrere Wettbewerbe und sammelte bei den Bochumer Symphonikern erste praktische Erfahrungen. Derzeit ist sie eine der ersten Geigen im SOW, darf die von Robert Bocola dem Orchester dauerhaft geliehene Geige spielen, die dieser von seinem Vater, selbst erster Geiger in einem Orchester, erhielt und deren Alter auf 150 bis 200 Jahre geschätzt wird.
„Ihre Stimme passt gut zum Orchester“, schwärmt Kostiuk, die schon einige Male mit dem SOW aufgetreten ist – beim ersten Sinfonie- oder beim Familienkonzert, bei Oedipus Rex, Figaro oder La Bohème. Die ersten Opernerfahrungen für die junge Frau, die im großen Saal der Stadthalle, „dem schönsten Saal Europas“, an ihrem Geburtstag probte und sich so selbst das größte Geschenk machte.
Sie habe schon viel gelernt, erlebe die Kollegen als extrem nett und hilfsbereit, erzählt sie. Ihr Ziel: Nach dem Stipendium ein Platz in einem Orchester, am besten so einem wie Wuppertal. Das sieht Heimann genauso und ergänzt, dass es natürlich am besten wäre, aus der Akademie den Nachwuchs fürs SOW zu rekrutieren. Der Anfang ist gemacht.