Bühne Das Schauspiel Wuppertal probt „Tod eines Handlungsreisenden“

Das Schauspiel Wuppertal probt „Tod eines Handlungsreisenden“. Die Corona-Krise erfordert striktes Abstandhalten.

„Tod eines Handlungsreisenden“: Thomas Braus und Luise Kinner proben im Opernhaus das Stück von Arthur Miller.Regie führt Jakob Fedler.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Das cognacfarbene Glattledersofa ist viele Meter lang, reicht von der einen Seite des hohen Raums zur anderen. Es durchtrennt quasi die große Probebühne im Opernhaus in Barmen in zwei Teile. Gedacht ist das Möbelstück für die Bühne im Theater am Engelsgarten. Als zentrales, zeitloses und vielseitig zu bespielendes Requisit des Stücks „Tod eines Handlungsreisenden“. Die Premiere Anfang Mai wurde gecancelt, ein neuer Termin steht noch nicht fest. Auch nicht, ob mit oder ohne Publikum gespielt wird. Sicher dagegen ist, dass das Distanz ermöglichende Möbel nicht nur zur Aussage von Arthur Millers Stück, sondern auch zu den Coronavirus-Schutzmaßnahmen bestens passt.

Sind sie in dieser Szene in Aufbruchstimmung oder herrscht nur Ruhe vor dem Sturm? Gilt es mehr Euphorie oder doch Verzweiflung auszudrücken? Soll Willy Loman (alias Thomas Braus) eher aggressiv laut oder eher unsicher und schwach agieren? Spricht seine Frau Linda (alias Luise Kinner) eher überschwänglich oder eher leise? Vor einer guten Woche wurde mit den Proben begonnen, lesendes und szenisches Arbeiten lösen einander ab. Auch die Schauspieler erscheinen im Wechsel, damit in Corona-Krisen-Zeiten nicht zu viele gleichzeitig vor Ort sind. „Wir tasten uns durchs Stück“, sagt Regisseur Jakob Fedler. Der wenig vorgibt, eher mit den Schauspielern entwickelt. Wozu auch bewusst Stimmungen und Gefühle ausgetestet, Bewegungen, teilweise fast turnerisch, ausprobiert werden. Wenn sich die ohne Mundschutz agierenden Akteure dabei mal zu nahe kommen und den vorgeschriebenen Zwei-Meter-Abstand unterschreiten, erlaubt das Sofa raschen Sicherheits-Rückzug.

Ein Stück über des Ende des amerikanischen Traums

„Tod eines Handlungsreisenden“, jene Geschichte um den selbstständigen Vertreter Willy Loman, dessen amerikanischer Traum von Glück und finanziellem Erfolg zerbricht, ist nicht nur viel gespielter moderner Theaterklassiker von 1949. Für Fedler ist es auch das Drama, das am deutlichsten zeigt, wie ein Mensch an den Werten der Leistungsgesellschaft scheitert und was sein Scheitern für und seine Erwartungen an seine Familie bedeuten: „Es ist toll, wie Loman (der low man = einfacher Mann, Red.) die innere und äußere Krise spielt.“ Er halte sich nur mühsam im kleinbürgerlichen Milieu über Wasser, bis er an einen Punkt komme, an dem er die reale ökonomische Existenz verliere und er es nicht mehr verkrafte, seinen eigenen Werten vom „amerikanischen Traum“ nicht gerecht werden zu können. Dieser Loman kämpfe ums Überleben und gegen einen Burnout, nicht gegen das Älterwerden. Die aktuelle Thematik gewinnt in der Corona-Krise, in der gerade viele Soloselbstständige und freie Künstler in Not geraten, zusätzliche Brisanz.

Die Kulisse ist eher puristisch, besteht aus nicht viel mehr als dem großen Möbelstück. Die Kostüme erinnern ein wenig an die 40er und 50er Jahre. Auch die vorgegebene Bindung des Stücks an Amerika wird nicht gelöst. Die Geschichte könne gleichwohl erzählt werden, meint Thomas Braus, der das Stück aus den gleichen Gründen wie Fedler schätzt, sich darüber freut, dass er als Intendant trotz Zwangspause und ungewisser Aufführungspraxis alle Stücke halten könne. Gerade überlegt, was die Sicherheitslockerungen des Landes für seine Arbeit bedeuten. Konkret: Wie und wann wieder vor Publikum gespielt werden kann. Oder eben doch in der virtuellen Welt. Und welche Infektionsschutzmaßnahmen nötig sind.

Irgendwann in der zweiten Aprilhälfte erfuhr Konstantin Rickert, dass er den Happy, einen Sohn von Willy Loman, in Millers Stück spielen würde. Vor der Coronavirus-Zwangspause war er noch der Romeo in Shakespeares Stück „Romeo und Julia“, das damals kurz vor der Endprobe stand. Dass er nun nach zweieinhalb Monaten wieder spielen kann und seine Kollegen wiedersieht, sei einerseits wunderbar. Andererseits aber auch ungewohnt, man werde schneller müde, müsse erst wieder ins Schauspielern hineinfinden. Und ohne die sichere Perspektive, vor Publikum zu spielen, fehle etwas der Antrieb.

Dass Abstand gehalten werden muss, passe gut zur Distanz der Menschen in Lomans Familie und sei in der Regel einfach zu realisieren, meint Rickert. Dennoch bedeute es auch eine Herausforderung: „Es gilt neue Wege des Spiels zu finden.“ Etwa wenn er mit Biff (alias Alexander Peiler) brüderliche Situationen zu spielen habe, die eigentlich der körperlichen Nähe bedürfen. „In der Nähe funktioniert es noch nicht, die müssen wir vielleicht auf abstrakte Weise verdeutlichen.“

Eine Aufgabe, vor der auch andere in Coron-Krisen-Zeiten stehen.