Das Tanztheater betritt mehrfach Neuland

Die Compagnie bekommt vier neue Stellen und hat erneut eine Saison in ausverkauften Häusern hinter sich.

Foto: Ursula Kaufmann

Wuppertal. Es herrscht Aufbruchstimmung beim Tanztheater. Die größte und zugleich lang erwartete Neuigkeit ist, dass sechs Jahre nach dem Tod von Pina Bausch erstmals wieder ein neuen Tanzabend entwickelt wird. Die dreiteilige Produktion, die vier Choreographen aus Großbritannien, Argentinien und Frankreich mit der gesamten Compagnie erarbeiten, eröffnet am 18. September die neue Spielzeit (siehe Artikel auf Seite 13).

Das ist nicht nur im Hinblick auf die Zukunft des Wuppertaler Tanztheaters ein bedeutender Schritt. „Es ist auch wichtig, dass die Tänzer endlich wieder kreativ arbeiten“, sagte der künstlerische Leiter Lutz Förster bei der Vorstellung des Programms 2015/16 im Opernhaus.

In den vergangenen Jahren kamen mal zwei, mal drei neue Tänzer hinzu, in diesem Herbst sind es sogar sechs. Auf die Ausschreibung im Februar gingen laut Förster 1200 Bewerbungen aus aller Welt ein. Zwei der bekannten Tänzer verlassen Wuppertal — so geht Jo Ann Endicott am 1. Juli in den Ruhestand —, und machen Platz für neue Kollegen. Aber vier Stellen werden zusätzlich geschaffen.

Stadtkämmerer Johannes Slawig, der gestern die Stadt als Gesellschafterin des Tanztheaters vertrat, wertet diese Ausweitung des Stellenplanes in den bekanntermaßen finanziell schwierigen Zeiten auch als Beweis dafür, dass die Stadt uneingeschränkt hinter dem Tanztheater und seiner künstlerischen Entwicklung steht.

Mehr Tänzer ergeben in der Konsequenz jedoch weniger Vorstellungen, jedenfalls am Anfang. Denn weil die Neuen alle Rollen ganz neu lernen müssen, dauern die Proben länger.

„Selbstverständlich waren alle Vorstellungen ausverkauft“, sagte Förster, als er von den Gastspielen in Paris spricht. „Ein wenig überrascht“ war er aber doch, dass auch der 37 Jahre alte „Kontakthof“ in New York neun Mal ausverkauft war. In den Vorstellungen (35 in Wuppertal und 76 Gastspiele) trifft ein vielfach junges Publikum auf ein Tanz-Ensemble mit dem ungewöhnlichen Altersspektrum von 24 bis 64 — was viele Zuschauer nach Försters Erfahrungen als angenehm realitätsnah werten.

Die ablaufende Spielzeit hat die Erfolgsgeschichte des Tanztheaters fortgeschrieben. Fast 100 000 Besucher haben die Vorstellungen gesehen — 16 255 waren es bis jetzt in Wuppertal, hinzu kommen noch die elf Termine bis Ende Juni; 83 096 Menschen strömten zu den Gastspielen, lautet die Bilanz des kaufmännischen Leiters Dirk Hesse.

In der kommenden Saison betritt die Compagnie mehrfach Neuland, denn es gibt immer noch Orte, an denen sie noch nicht aufgetreten ist. Nun lernt sie St. Pölten kennen, das laut Hesse ein ambitioniertes Gastspielprogramm hat. Sie tritt auch in Luxemburg auf, was bisher zeitlich nie passte, und im neuseeländischen Wellington.

Ein Großprojekt sind die vier Vorstellungen im Juni 2016 in Nîmes: Das Tanztheater will das Doppelprogramm „Café Müller“/„Frühlingsopfer“ in der Arena vor 3000 Zuschauern open air und mit Live-Musik spielen. Das wird schon allein logistisch eine Herausforderung, weil die Truppe tagsüber weder die Technik aufbauen noch proben kann. “ Kultur S. 13