Historischer Roman von Loretta Ischebeck Wiederentdeckung eines extrem fortschrittlichen Menschen
"Dejima" holt den Gelehrten Engelbert Kaempfer aus der Vergessenheit.
Seine Bedeutung sei riesig, er sei ein extrem fortschrittlicher Mensch gewesen, der weit unterschätzt wurde. Sagt Loretta Ischebeck über den Lemgoer Gelehrten Engelbert Kaempfer (1651 bis 1716). Und will das ändern, ihn aus der Vergessenheit herausholen. Mit viel Wertschätzung und Akribie, die sie in ein Buch über den Forschungsreisenden und Arzt in Asien gesteckt hat, der im 17. Jahrhundert eine grundlegende „Geschichte und Beschreibung Japans“ verfasst hat. Ischebecks „Dejima“ ist ein spannender historischer Roman geworden, mit vielen, attraktiv verpackten Informationen.
Zwei Konstanten begleiten das Leben der Wuppertalerin und Weltbürgerin Loretta Ischebeck: die Liebe zur Kunst und zur Botanik. Schon als junge Frau verschrieb sie sich der Kunstavantgarde, die sie 1965 hautnah beim 24 Stunden Happening in der Galerie Parnass in Elberfeld erlebte. Auslöser, um mit 18 Jahren die Schule zu verlassen und nach London zu gehen. Dort suchte sie ihren Weg in den Kunsthandel, der sie zur weltweit agierenden Galerie Marlborough Fine Art und nach New York führte. Nach zehn Jahren in der Metropole kehrte sie nach Deutschland zurück, organisierte Ausstellungen und heiratete den Neurochirurgen Werner Ischebeck. Sie half ihm beim Aufbau seiner Klinik Holthausen samt dazugehörigem Gartengelände, entdeckte durch ihn die Welt der Botanik, „die uns unsere eigene Geschichte erzählt“.
Die Liebe zur Kunst
und zur Botanik
So „vorbelastet“ war es fast zwangsläufig, dass Loretta Ischebeck auch Engelbert Kaempfer begegnete. Bei einem Vortrag über die medizinische Seite des Gingko war es soweit, über den der deutsche Arzt als erster Europäer im 17. Jahrhundert berichtet hatte. „Natürlich kannten wir den Gingko, haben ihn auch gepflanzt“, erzählt sie. Und weil sie überdies japanische Freunde hat, ihr Sohn Japanisch lernte und sie sich als ehemalige Galeristin mit ostasiatischer Kunst auskennt, nahm sie Kaempfer in den Fokus. Recherchierte jahrelang (mit Unterbrechungen), las natürlich auch seine Japan-Geschichte. Holte Expertise bei Medizinern, bei Japankennern wie dem stellvertretenden Generalsekretär der deutsch-japanischen Zentrum in Berlin, und anderen ein. Schrieb zunächst ein englisches Buch über ihn – „mehr für mich selbst“ – und veröffentlichte diesen November die deutsche Übersetzung. Auf dem Deckblatt ist ein Gingko-Blatt abgebildet, der Titel lautet „Dejima“ – wie die Insel in der Bucht von Nagasaki, auf der sich einst Kaempfer bei seiner Japanreise aufgehalten hatte.
Engelbert Kaempfer war ein vielseitiger Gelehrter, beschäftigte sich mit Sprachen, Geschichte, Erd- und Naturkunde sowie Medizin. Mit großem Forschungstrieb und dem Wunsch, diesen in der weiten Welt zu stillen. Für die niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) reiste er 1690 nach Japan, ein Land, das allem Fremden verschlossen war. Er schaffte es, zweimal an den Hof in Tokio zu reisen, Land und Menschen kennenzulernen. Loretta Ischebeck greift seine zwei Jahre in Japan heraus, in denen der Reisende nicht nur den wirtschaftlichen Interessen seines Arbeitgebers nachgegangen sei, sondern sich „als kulturell und wissenschaftlich umsichtiger Pionier“ erwiesen habe. Seine sensible, einfühlsame Diplomatie werde in Japan bis heute geschätzt. Sein Japan-Werk ist dort ein anerkanntes Standardwerk.
„Dejima“ ist kein politisches Buch, keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein spannender historischer Roman samt umfangreichem Literaturverzeichnis und Glossar. Die Autorin schreibt aus neutraler Perspektive und doch einfühlsam und direkt (wozu die Zeitform Präsens gut passt), lebendig, bildreich und präzise. Loretta Ischebeck analysiert Kaempfer nicht, sie will ihn „glaubwürdig wirken lassen und ihm gerecht werden“. Seine Bedeutung als unvoreingenommener, offener Reisender, der ohne die Dominanz der westlichen Welt Asien betrachtete, aufzeigen. Sie setzt deshalb auch ein Zitat Kaempfers auf den Buchrücken „Wir Menschen sehen alle eine Sonne, treten alle eine Erde, atmen alle eine Luft. Keine Grenzen der Natur, keine Gesetze des Schöpfers trennen uns voneinander“.
Wer mag, kann daraus Schlüsse für eine bessere Verfasstheit der globalisierten Gesellschaften ziehen. Loretta Ischebeck verlangt dies nicht. Sie denkt darüber nach, die englische Urversion zu überarbeiten und vielleicht diese zu veröffentlichen. Und außerdem will sie abwarten, wie das deutsche Buch „Dejima“ ankommt.