Disko Goodbye, Butan — eine Feier-Ära endet
Heckinghausen · Am 25. Dezember ist Schluss: Der Club in Heckinghausen schließt für immer seine Türen. Für unseren Gastautoren verschwindet damit auch ein Stück seiner Jugend.
. Die Erinnerung an das Butan beginnt in einem Alter, in dem das Jugendschutzgesetz diese eigentlich ausschließt. Wer damals das Glück hatte, seine Wochenenden im angrenzenden Proberaum-Komplex Oxtor zu verbringen, hatte drei Chancen. Durch die immer gleich aussehenden, kahlen Gänge des ehemaligen Schlachthofes irrend, erwischte man einen von den Ausgängen, die Eingänge ins Butan waren.
Hinter Tür eins lauerte der Zonk in Gestalt des verdutzten Barkeepers hinter der Theke am Mainfloor, der einen direkten Draht zu den Türstehern hatte. Tür zwei war schon besser, sie führte direkt in den Innenhof im Rücken der Aufpasser. Nach diversen Fehlversuchen wurde der – mittlerweile hoffentlich verjährte – illegale Eintritt perfektioniert. Tür drei schien aus Brandschutzgründen weniger bedeutend und war nur von der begehrten Innenseite des Clubs zu öffnen, erforderte also einen Komplizen.
Dahinter lauerte nicht nur für einen 16-Jährigen das Butan als Ort großer Erfahrungen: Der Geruch des aus heutiger Sicht an Körperverletzung grenzenden Vanille-Parfüms, wenn man sich ans Ohr des unerreichbar geglaubten, und viel zu häufig auch gebliebenen Schwarms lehnte, im verzweifelten Versuch, direkt neben dem Lautsprecher Konversation zu betreiben. Der mehr als ungeschickte Versuch, jemanden beim Tanzen durch Blicke auf sich aufmerksam zu machen. Der erste große Absturz in Ermangelung an Erfahrung mit der persönlichen Grenze für Alkoholzufuhr. Manches war peinlich, einiges unnötig, vieles großartig. Alles davon prägt.
Zu Weihnachten war das Butan ein Ort des Wiedersehens
Später, nach dem Abitur, war das Butan ein Ort großer Wiedersehen. Zur „Highligen Nacht“ traf sich die halbe Schule. Und im Grunde war alles wie früher: Jungs, die versuchen sich gegenseitig, aber vor allem den Mädchen, zu gefallen. Und Mädchen, die mittlerweile Frauen waren, davon genervt. Es gab weniger Schubladendenken, denn die uncoole Spießerin war nun auch eine Frau. In gewisser Weise sogar besinnlich lag man sich betrunken in den Armen, den vorherigen schwierigen Heimatbesuch bei den Eltern verdrängt. Das Butan als Ort großer Schwüre, sich bald wieder zu treffen, ganz sicher, bestimmt, nie eingehalten. Wohl auch, weil am nüchternen Morgen allen klar war, dass einmal im Jahr wirklich reicht.
Das Butan hatte immer auch Strahlkraft über die Grenzen Wuppertals hinaus: Bei Anreise mit dem Zug traf man regelmäßig Gruppen aus Solingen, Remscheid und dem Ruhrgebiet. Es gab regelmäßig Auszeichnungen als „Bester Club Deutschlands“ in verschiedenen Kategorien. Betreiber Tobias Wicht hat in einem Interview einmal erklärt, Star-DJ Sven Väth würde innerhalb Deutschlands nur in drei Clubs auflegen – einer davon das Butan. Ob diese Aussage einer Überprüfung standhalten würde, ist ungewiss, die Strahlkraft des Butans bleibt trotzdem unstrittig.
Und die Schattenseiten einer Großraumdisko? Schlimme, durch riesige blaue Flecken auch sichtbare Rückenschmerzen gab es, weil die Treppe zu dem Toiletten wie mit Schmierseife verkleistert wirkte. Es gab Streit und Rangeleien. Es gab Geschichten über Türsteher, die nur den Dealern ihres Vertrauens Einlass gewährten oder die Drogen gleich selbst vertickten. Gipfelnd in einem brutalen Raubüberfall, bei dem Wicht schwer verletzt wurde. Viele vermuteten damals: Die Täter kannten sich aus, es war ein Inside Job. Trotz all dem: Für den normalen Gast war das Butan gegenüber den Molochen Großraumdisko im Ruhrgebiet beschaulich.
In Erinnerung bleibt das Butan als Ort großer Verdichtung. Es wurde gefeiert, getrunken, getanzt, geliebt, hintergangen – alles auf einmal, innerhalb weniger Stunden, auf wenigen Quadratmetern. Das alles klingt pathetisch. Aber wenn die ganzen Anekdoten, die Erinnerungen, ein Teil der eigenen Jugend am 25. Dezember hinter einer sich für immer schließenden Clubtür verschwinden, ist das erlaubt.