Fusion: Taktisches Spiel rund um den Orchestergraben
Die politische Entscheidung wurde vertagt — mit Blick auf ein Gespräch im Ministerium.
Wuppertal. Wann müssen Politiker Farbe bekennen, wann sollte ein Fachausschuss lieber schweigen, und wann hat die Diskussion um einen Zusammenschluss des Wuppertaler Sinfonieorchesters mit den Bergischen Symphonikern womöglich ein Ende?
Die letzte Frage ist nach wie vor offen, zumindest die ersten beiden Fragen haben die Mitglieder des Kulturausschusses auf ihrer jüngsten Sitzung beantwortet: Sie redeten viel — und wollen nun erst einmal schweigen.
Die Worte, die zuvor gewechselt wurden, sprechen ja auch für sich. Von einem „taktischen Spiel“ war die Rede — und von dem Dilemma, dass man als Politiker ernst genommen werden wolle, als Fachausschuss deshalb klar Position beziehen müsse, trotzdem jedoch vielleicht besser nicht vorpresche.
Der Orchestervorstand, der die Sitzung aufmerksam verfolgte, dürfte es mit Freude vernommen haben: Man wolle den Sinfonikern auf keinen Fall schaden. Dass ein Beschluss gegen eine Fusion — zum jetzigen Zeitpunkt — durchaus schaden könnte, daran ließ Kulturdezernent Matthias Nocke keinen Zweifel aufkommen: „Wir sollten dem Land die Gelegenheit geben, sich klar zu positionieren.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt — und dahinter Strategie erkennt.
Im Sitzungssaal herrschen eben andere Regeln als im Konzertsaal. Während die Sinfoniker bei ihren Auftritten in der Stadthalle keine großen Worte machen, sondern die Musik sprechen lassen, wird es im Rathaus erst dann so richtig spannend, wenn Volksvertreter zu verbalen Paukenschlägen ansetzen.
Dass sie im Kanon gegenseitige Vorwürfe anstimmen, gehört zum politischen Tagesgeschäft. Dass sie sich konträr gegenübersitzen, obwohl sie eigentlich dasselbe Ziel — den Qualitätserhalt der Wuppertaler Klang-Kultur — haben, ist jedoch eher ungewöhnlich.
Denn inhaltlich, so scheint es, liegen die politischen Lager gar nicht weit auseinander: Niemand hat im Fachausschuss bisher ernsthaft zu erkennen gegeben, dass er eine Fusion wünsche. Aus künstlerischer Sicht — zu diesem Schluss kommt selbst der oft zitierte Actori-Gutachter — macht sie keinen Sinn, aus rein finanzieller wird sie nach wie vor diskutiert.
Denn die Gretchen-Frage ist weiterhin unbeantwortet: Wäre das Land bereit, sich an den anfänglichen Mehrkosten einer bergischen Orchester-Fusion zu beteiligen? Vor rund vier Wochen haben die drei Oberbürgermeister des Bergischen Städtedreiecks um einen Termin in Düsseldorf gebeten — noch steht nicht fest, ob und wann sie im Ministerium empfangen werden.
Tatsachen wollte nun die FDP schaffen: „Wir hatten jetzt ein halbes Jahr Zeit, uns mit den Inhalten des Actori-Gutachtens zu beschäftigen“, begründete Ingrid Pfeiffer, kulturpolitische Sprecherin der FDP-Ratsfraktion, den Antrag, sich gegen eine Fusion auszusprechen. „Eine Hängepartie über die Sommerpause hinweg wollen wir dem Orchester nicht zumuten. Es würde ihm auch schaden.“
Der Schwebezustand sei unzumutbar — nicht nur für die Betroffenen, sondern für die gesamte Bevölkerung. Während der lange Entscheidungsprozess in Wuppertal, Remscheid und Solingen für Pfeiffer ein „unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel“ ist, ermahnten Ursula Schulz und Peter Hartwig im Namen der SPD, das Gespräch in Düsseldorf abzuwarten: „Was uns die Aufsichtsbehörde ins Buch schreibt, müssen wir einfach beachten.“ Mit anderen Worten: Wo das Land einen Spar- und Kooperationswillen erkennen möchte, würde ein klares Signal gegen eine Fusion nur Porzellan zerschlagen.
Am Ende der Sitzung gab es keinen finalen Paukenschlag, sondern einen demokratischen Ausklang: Mit den Stimmen von CDU und SPD wurde der FDP-Antrag auf die nächste Sitzung am 21. September vertagt. Bis dahin dürfte das Motto gelten: Abwarten — und die Konzerte der Sinfoniker besuchen.