Ausstellung „Read the Runes“ - der Mensch und die angekratzte Natur

Henri van Noordenburg stellt in der Galerie „Kunstkomplex“ seine poetisch-bedrohlichen Bilder aus.

Henri van Noordenburg zeigt, wie er seine Bilder fein säuberlich freikratzt.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Es war mitten im künstlerischen Schaffensprozess. „Die Dinge liefen nicht, wie ich wollte, ich war frustriert“, erinnert sich Henri van Noordenburg. Kurzerhand versuchte er, mit einem Teppichmesser das Foto, das er bearbeiten wollte, zu zerschneiden. Erfolglos. Er hinterließ nur Schrammen auf der abgebildeten Landschaft, die Fotofarbe lief herunter. Der Künstler schaute nochmals hin, stutzte, erkannte – entwickelte einen eigenen, unverwechselbaren Stil fotografischer Kratzungen. Ab dem heutigen Freitag zeigt der niederländische Künstler, der in Australien lebt, 15 aktuelle Arbeiten in der Galerie „Kunstkomplex“.

Henri van Noordenburg wurde 1967 in Amersfort geboren, er malte schon als Kind, ging 1988, nach der Schule, nach Australien, „weil ich jung war, Erfahrungen sammeln wollte“. Er blieb für zehn Monate, kehrte wieder zurück, blieb für Jahre. Studierte Bildende Kunst und Theater. Heute, etliche Ausstellungen und Preise weiter, kommt er nur noch alle fünf Jahre in die Heimat und zu seinen Eltern zurück. Nicole Bardohl lernte er vor sechs Jahren in Los Angeles kennen, als er an einer Fotoausstellung teilnahm. Sie holte ihn in eine Gruppenausstellung in ihrer Wuppertaler Galerie „Kunstkomplex“, organisierte im Juli/August diesen Jahres seine erste Einzelschau in ihrer Galerie in Berlin, die nun nach Wuppertal kommt.

Sie sehen aus wie zwei Füller, doch unter der Kappe schützen sie spitze Federn. Noordenburg malt gekonnt mit beiden Seiten und der Spitze der Feder auf dem festen, Kartonartigen Papier. Sorge, es zu zerstören, hat er nicht Seit 2010, als er nicht durchs Papier drang, malt er systematisch mit den scharfen Federn. „Zuerst löschte ich Dinge aus dem Foto, so dass es heller wurde, später ging ich weiter, arbeitete mit einem schwarzen Foto, auf dem nur ein Mensch auf einer Fläche zu sehen war. Den schwarzen Bereich habe ich dann mit dem ‚Messer’ in eine Landschaft verwandelt.“

Der Mensch sollte die Zeichen
der Natur lesen und handeln

Der Mensch steht für die Menschheit, ist meistens er selbst – Noordenburg machte Selbstporträts in der Garage, die er leicht colorierte, während die fein herausgekratzte, imaginäre Landschaft um ihn herum schwarz-weiß ist. „Manchmal ist der Mensch so klein, dass man ihn nicht direkt erkennen kann.“ Je nach Bildgröße – die kleinsten messen 12 mal 12 Zentimeter – und Detailintensität braucht der Künstler zehn Stunden oder 700 Stunden für ein Bild. Ein geduldiger, meditativer Schaffensprozess, der poetische wie bedrohliche Szenen hervorbringt.

Noordenburgs Thema sind die Folgen menschengemachter Katastrophen in der Gesellschaft, vor allem aber in der Natur. Er beklagt, dass der Mensch immer noch nicht einsieht, dass die Klimakatstrophe da ist. Gerade hat er eine Serie angefangen, die auf insgesamt 30 1 mal 2,20 Meter langen Papierbahnen eine Geschichte über diese Zerstörung der Landschaft erzählen soll. Auf der rechten Seite kauert ein verloren wirkender, nackter Mann und überlegt, was er gegen die Zerstörung tun kann, „er fühlt sich überfordert, die Aufgabe ist so groß“. Dieses erste Bild hängt nun im „Kunstkomplex“, weil es noch nicht fertig ist, wird der Künstler es nach der Vernissage wieder mitnehmen. Als „Ersatz“ fertigt er fünf leicht variierende Arbeiten eines Ausschnitts an.

„Read the Runes“ heißt die Ausstellung in Wuppertal, der Titel knüpft an die Thematik seiner Bilder an, ist ein Appell, die Zeichen, die Sprache der Natur zu lesen, „um zu verstehen, was wir tun und es zu ändern“. Auch wenn man in Europa oder Australien lebt, privilegiert ist und die Folgen der Klimakatastrophe (noch) weniger spürt als in ärmeren Gegenden.

» Vernisssage: „Read the Runes“ wird am heutigen Freitag, 23. August, von 18 bis 22 Uhr, in der Galerie „Kunstkomplex“, Wesendonkstraße 12, eröffnet. Henri van Noordenburg ist anwesend und bereit, seine Arbeitsweise zu erklären und zu zeigen.