Holger Mühlenbeck bringt morbide Eleganz in die Bank

Der Wuppertaler stellt ab Mittwoch in der Deutschen Bank aus. Seine Fotografien sind eine Mischung aus Kunst und Dokumentation.

Wuppertal. "Mich interessieren morbide Situationen", erklärt Holger Mühlenbeck. Wer auf seinen Fotografien Abbildungen verkommener Tristesse oder abgewrackter Traurigkeit erwartet, irrt.

Im Zyklus "Stillgelegt", ab Mittwoch in der Deutschen Bank an der Friedrich-Ebert-Straße zu sehen, zeigt der Wuppertaler Fotos mit skulpturalen Objekten, die in aller Hinfälligkeit eine morbide Eleganz und erhabene Schönheit bewahren. "Zu 20 Prozent haben meine Bilder dokumentarischen Charakter, der Rest ist Kunst" - so versucht er, seine Fotos über den Verfall zu beschreiben. Offiziell zu sehen sind sie ab dem 11.Juni, 19 Uhr.

In den vergangenen fünf Jahren hat Mühlenbeck zerstörte Dörfer und Lebensgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen aufgenommen, die einst durch den Braunkohletagebau wirtschaftlich florierende Landschaften gewesen sind. "Oft sind es banale Objekte, deren Ästhetik ich in bestimmten Ausschnitten zeige", sagt er.

Meist hat der Künstler wochenlang auf den richtigen Moment gewartet, um auf den Auslöser zu drücken. So wie beim Triptichon, das einerseits ein sich wie eine Skulptur erhebendes halb abgerissenes Haus mit fast monochrom-blauer Himmelsstimmung zeigt, dann eine ruhende Abrissbirne inmitten von Häuserruinen abbildet und als drittes ein Stück Autobahn präsentiert - wie Gerippe und Gedärme quellen Querverstrebungen und Versorgungsleitungen aus dem einst makellosen Betonkörper hervor.

Alle Aufnahmen sind klassische Fotografien. Nichts ist am Computer geschönt oder verändert, alles ist echt. Selten tragen die Bilder Titel: "Ich möchte nicht alles erklären, der Betrachter darf sich gerne selbst Gedanken machen." So marschiert eine Gänseschar entlang eines zugefrorenen Tümpels durch die Abendstille, im Hintergrund ist der letzte Baum in der entmenschlichten Landschaft zu sehen.

Keines der Bilder ist zufällig gehängt. Den Gänsen gegenüber ist eine weitere dieser eigentlich trostlosen, von bildnerischer Kraft und Schönheit geprägten Szenen zu sehen: Einsam und verlassen ragt eine Litfasssäule scheinbar aus dem Nichts und wirbt per Plakat für eine Erotikmesse. So, wie beide Bilder miteinander korrespondieren, sieht es aus, als gingen die Gänse am Plakat vorbei - schnurstracks zur Messe. Andere Bilder erklären sich von allein: An die Fassade eines dachlosen, baufälligen Hauses wurde das Graffiti "Tod" gemalt, auf ein Hinweisschild auf Gottesdienste hat jemand "Gott ist schon weg!" geschrieben. Die Motive sind unaufdringliche, einprägsame Zeugnisse eines epochalen Strukturwandels.

Brüchige Fassaden, zubetonierte Eingänge und die durch Zeit und Witterung veränderten Materialien wie typische Industriefenster an der Zeche Zollverein wecken Mühlenbecks Interesse. Dank seiner Fertigkeiten geraten seine eigentlich toten Gegenstände und ausrangierten Dinge, die doch offiziell stillgelegt sind, munter und überaus interessant.