Jakob Fedler: Ein Regisseur und die Macht des Wahns
Der Wuppertaler setzt auf „Käthe Hermann“ und damit auf eine schrecklich skurrile Familie.
Wuppertal. Um es direkt vorwegzunehmen: Es ist kein Drama, das den Braunkohle-Abbau und seine Folgen beleuchtet. Jedenfalls keines, das primär mit fossilen Brennstoffen zu tun hat. „Käthe Hermann“ ist andererseits aber auch keine typische Dreiecksgeschichte, wie man sie erwarten könnte, wenn zwei Frauen und ein Mann im Spiel sind.
Seine Energie soll das dramatische Konstrukt, das am kommenden Samstag im Kleinen Schauspielhaus Premiere feiert, aus ganz anderem ziehen: „Es geht um eine skurrile Familie“, erklärt Dramaturg Sven Kleine.
Das klingt nach einer intimen Problematik, nach einer extrem heiteren Geschichte und vor allem nach schrillen Figuren. „Käthe Hermann“ soll jedoch viel mehr sein, wie Anne Lepper betont. Die Wuppertaler Autorin gilt als große Hoffnungsträgerin: Die 34-Jährige, die von Theaterkritikern zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres gekürt wurde, hat in ihrer ganz eigenen, grotesk zugespitzten Sprache ein Stück über Glücksverheißungen und deren Kollision mit der Umwelt geschrieben.
„Käthe Hermann“, Leppers zweites Stück, wurde im Januar in Bielefeld uraufgeführt. Dass es nun auch in Wuppertal zu sehen ist, freut nicht nur die Autorin, sondern vor allem auch einen zweiten kreativen Kopf aus Wuppertal: Regisseur Jakob Fedler, der in der Schwebebahn-Stadt aufgewachsen ist, bevor er in Zürich studierte, bringt das Stück in Elberfeld auf die Bühne.
Dort bahnen sich familiäre Konflikte an, die alles andere als isoliert von der Außenwelt zu betrachten sind: Wie ein Damoklesschwert hängt die Abrissbirne über Käthe Hermanns Haus, das dem Braunkohle-Tagebau Platz machen soll.
Eine Zwangsumsiedlung kommt für die resolute Mutter allerdings nicht infrage. „Käthe ist das unumstrittene Oberhaupt der Familie“, betont Kleine. Dabei bildet das Trio „schon länger einen eigenen Mikrokosmos. Die drei Figuren sind Underdogs und stehen am Rande der Gesellschaft. Dazu kommt noch die Bedrohung von außen.“
Die wiederum sieht Tochter Irmi durchaus als Möglichkeit zur positiven Veränderung: „Sie ist nie aus dem Wirkungskreis der Mutter herausgekommen.“ So spiele sich der zentrale Konflikt zwischen der dominanten Patronin und Irmi ab, die zunehmend darauf drängt, die Umsiedlung als Chance zu sehen: „Die Familienkonstellation hat starken symbolischen Charakter — mit Blick auf größere gesellschaftliche Prozesse.“
Fedler stimmt dieser Lesart zu. „Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft“, sagt er. „Für mich geht es in dem Stück um Glücksvorstellungen.“
Ein Fazit, das Lepper jedoch nicht rundum glücklich macht. „Es geht um mehr“, betont sie. „Es geht um Wahn — und darum, wie man reagiert, wenn man am Boden ist.“ Und das zeige ihr Stück: „Je tiefer man unten ist, desto größer muss der Wahn sein.“
Entscheidend sei nicht zuletzt die Macht der Behauptung: Jeder definiere die Wirklichkeit auf seine Weise, meint Kleine. Man wisse nie genau, was von alledem, das sich die Drei rund 80 Minuten lang erzählten, wahr sei. Eines ist für den Dramaturgen jedoch sicher: „Die Utopien, die sie haben, sind wie Seifenblasen.“
Für Fedler geht es deshalb vor allem um die Frage, wer eigentlich Realität definiere — „und wer bestimmt, wie die Zukunft aussieht“. Um auch dies vorwegzunehmen: All das soll tragisch und amüsant zugleich sein. Der Regisseur hofft jedenfalls, „dass der Abend auch komisch wird“.