Kulturaustausch mit Hand und Fuß: In der Börse schlagen Tänzer Brücken
Choreograph Chun-Hsien Wu wagt ein Experiment, das am Freitag in der Börse zu erleben ist. Vorab spricht er über seine Hintergedanken und die Tanzstadt Wuppertal.
Herr Wu, Sie wurden 1967 in Taiwan geboren, haben in Wuppertal zusammen mit ihrer Frau Chrystel Guillebeaud das Ensemble Double C gegründet und arbeiten nun an einem ungewöhnlichen Projekt: Am 27. Mai stellen Sie einen choreographischen Abend in der Börse vor. „Hand und Fuß“ heißt das Ganze. Wie viele Hände und Füße machen mit?
Chun-Hsien Wu: 24 Hände und 24 Füße arbeiten an dem Projekt mit. Auf der Bühne haben wir fünf Tänzer. Die Zahl der Musiker ist sogar noch größer. Und natürlich möchten wir die „großen Hände“ nicht vergessen, die uns geholfen haben: unsere Sponsoren. Also die Börse, die Stiftung Kalkwerke Oetelshofen, das Kulturbüro Wuppertal und die Stadtsparkasse Wuppertal.
Die Akteure kommen aus denkbar unterschiedlichen Kulturzonen. Sie tragen Stimmungen aus ihren unterschiedlichen Lebenswelten an einem Abend in der Börse zusammen. Was verbindet die Künstler?
Wu: Wir sind freischaffende Künstler und immer fasziniert davon, unseren Erfahrungshorizont zu erweitern. Uns verbindet die Leidenschaft, als „Kunst-Arbeiter“ („art worker“) etwas Schönes und Neues entstehen zu lassen.
Das Programm soll einen Bogen zwischen den malerischen Künsten von Albrecht Dürer, chinesischer Kalligrafie und tänzerischen Ausdrucksmöglichkeiten spannen. Wie kann man sich das vorstellen?
Wu: Der ganze Abend ist ein Konzept zur Frage: Wie können wir verschiedene Farben und Stile zusammenführen? Wir fanden eine Verbindungsform zwischen einer freien, etwas wilden, chinesischen Kalligrafie, voll von Energie und Bewegung, und einer sehr genauen, detaillierten Zeichenart im „Jungen Hasen“ von Albrecht Dürer. Beides scheint nichts miteinander zu tun zu haben, aber die meisten Kalligrafie-Pinsel werden aus Hasenhaaren gemacht. Außerdem entdeckten wir, dass die Unterschrift von Albrecht Dürer in diesem Bild aussieht wie chinesische Kalligrafie — so haben wir eine Möglichkeit gefunden, so viele verschiedene Kunststile miteinander zu verbinden. Die Zuschauer dürfen sich entspannen und den bunten Abend genießen, den wir erschaffen. Das Ergebnis wird von selbst entstehen.
Danny Tan hat den weitesten Weg. Er kommt aus Singapur und ist Leiter des Odyssey-Dance-Theatre. Wie entstand der Kontakt zu ihm und den anderen Akteuren?
Wu: Ich traf Danny Tan während des Hong Kong Dance Festivals 2010, wo meine Choreographie „Endorphin“ vorgestellt wurde. Danny war auch dort, er sah meine Arbeit und war fasziniert.
Wie hat er konkret reagiert?
Wu: Wir hatten ein langes Gespräch und er lud mich zu seinem Festival nach Singapur ein. Ich sagte ihm, dass wir in Wuppertal leben, wo es viele wunderbare Künstler gibt — nicht nur Tänzer, sondern auch Musiker und andere, die sehr aktiv sind und phantastische Arbeit leisten. So beschloss er, Wuppertal zu besuchen, und das Konzept für den Abend entstand: Wir wollen Künstler in Wuppertal mit der Region Singapur, vertreten durch Danny Tan, zusammenbringen. Ich kenne viele gute Künstler in Nordrhein-Westfalen. Wenn ich eine Gelegenheit habe, versuche ich immer, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dies ist eine gute Gelegenheit und Chance.
Wie wichtig ist ein solcher Kulturaustausch?
Wu: Natürlich sind die Menschen empfänglich (oder sollten es sein) für das, was in dieser Welt geschieht. Verschiedene Herkünfte und Kulturen zu kennen, hilft uns, ein besseres Verständnis für andere Standpunkte zu bekommen und unsere Erfahrung zu erweitern. Es bereichert unser Leben und unsere Kreativität.
Der Abend soll der Anfang eines Austauschprogramms sein. Wie können Wuppertaler Künstler davon profitieren?
Wu: Als Künstler suchen wir immer nach neuen Möglichkeiten, unsere Arbeit zu präsentieren, zu lernen und uns zu verbessern. Diese Veranstaltung ist nur ein Anfang: Die Tanzkompanie Double C wird im November 2011 auf Tournee gehen, um die Wuppertaler Arbeit vorzustellen. Wenn alles gut geht, haben die Künstler die Chance, mit Singapur einen Austausch zu starten und ihr Talent dort vorzustellen. Über diese Brücke könnten wir weitere Türen öffnen, um mehr Möglichkeiten zu haben, mit verschiedenen Spielstätten verbunden zu sein und dort neue Arbeiten vorzustellen.
Wuppertal ist eine Tanzstadt. Vermissen Sie ein Tanzhaus?
Wu: Ja und nein. Natürlich würde ich gerne in einem Tanzhaus arbeiten, aber wir haben nunmal keines. Zurzeit haben wir die Börse, die ihr Bestes tut, um freischaffende Künstler zu unterstützen, aber die Betreiber müssen eine Menge Events veranstalten, damit sie finanziell überleben können. Jedes Mal, wenn wir ein Stück im Café Ada aufführen möchten, muss zunächst viel Arbeit investiert werden, nur um die Bühne in Ordnung zu bringen. Viel Geld fließt in diese Aufbauarbeiten. Beide Bühnen sind berühmt für ihre „Säulen“. Die Leute nehmen die Situation mit Humor und sagen: „Ohne Säulen — auf der Bühne oder im Publikum — wird in Wuppertal nicht getanzt.“ Im Schauspielhaus hat es bisher nicht geklappt, es ist irgendwie schwierig, dort auftreten zu können. Das Rex-Theater ist jetzt geschlossen und der Raum ist ziemlich schwierig für Tanzdarstellungen. Wir brauchen wirklich ein „richtiges“ Tanzhaus, haben uns jedoch arrangiert und ein kleines, aber anständiges Studio mit gutem Tanzboden für Proben gebaut. Wenn die Künstler in Wuppertal weiter so arbeiten, glaube ich, dass die Stadt oder die Wuppertaler ein Tanzhaus wahr machen werden.